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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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die Artillerie in die Stadt. An ein Löschen der Brände war schon nicht mehr zu denken.
    Meine Frau hatte die Kinder zu Anuschka nach Gora Kalwarja geschickt. Ich mußte versuchen, mit ihnen Verbindung aufzunehmen, aber es war ganz unmöglich, durch den deutschen Einkreisungsring um Warschau zu kommen. Da explodierte am 14. September in einem südöstlichen Vorort von Praga ein Munitionsdepot, es gab viele Tote und Verwundete unter der Bevölkerung und unter den Deutschen, die bereits in die Außenbezirke eingedrungen waren. Um die Verwundeten zu bergen, wurde für eine Stunde an dieser Stelle Waffenruhe vereinbart. Nadja ließ sich von einem Ambulanzwagen mitnehmen, sie verbanden die leichter Verwundeten, die Schwerverletzten brachten sie in das Lazarus-Spital, obwohl es dort längst keine Zimmer und Betten mehr gab, sondern nur noch Matratzen und Strohsäcke auf den Fluren, in den Waschräumen – überall, wo noch ein Platz frei war. Als der Wagen, mit dem Nadja gefahren war, seine traurige Fracht auslud, war ein deutscher Oberleutnant dabei. Eine herabfallende Mauer hatte ihm das rechte Bein zerquetscht, es blieb keine andere Wahl, als zu amputieren. Nadja hatte die Operation vorzubereiten, dabei ließ sie unauffällig die Mütze und den Uniformrock des Deutschen verschwinden. Mit einem polnischen Offiziersumhang und einer deutschen Oberleutnantsuniform bin ich dann in der nächsten Nacht nach Gora Kalwarja aufgebrochen. Drei Tage später war ich dort. Von unserem Landhaus, von Anuschka und von unseren beiden kleinen Mädchen war keine Spur mehr zu finden. Die Deutschen hatten hier am 11. September nach einem fürchterlichen Feuerüberfall auf die Stadt den Übergang über die Weichsel erzwungen. Zwei Wochen habe ich in allen möglichen Verkleidungen gesucht und überall gefragt. Stein für Stein haben Anuschkas Vater und ich die Trümmer des Hauses umgekehrt. Nichts. Nicht ein einziger Anhaltspunkt. Veras Schulmappe fanden wir. Manja, die Ältere, hatte gerade ihren vierzehnten Geburtstag gefeiert. Ein Stück von dem Kuchen, den Anuschka ihr gebacken hatte, fanden wir noch mitsamt den Geburtstagskerzen im Keller, der neben dem Haus in den Abhang gebaut und völlig unversehrt war.«
    Der Major sprach nicht weiter. Er hatte es wohl gar nicht bemerkt, daß der Wagen nun schon durch die Straßen der Stadt fuhr. Der Fahrer sah sich nicht um, er fragte auch nicht, offenbar schien er den Weg genau zu kennen. An einer Straßenkreuzung mußten sie halten, eine Lastwagenkolonne kreuzte ihren Weg, auf den offenen Wagen standen dichtgedrängt junge Soldaten. Ihre Gesichter waren von der Kälte und dem Fahrtwind gerötet. Aber sie lachten und sangen durcheinander, und wenn sie ein paar Mädchen erblickten, riefen sie ihnen irgend etwas zu, was die einen schamhaft wegsehen ließ, während die anderen es den Soldaten lachend zurückgaben.
    »Und Ihre Frau?« fragte Werra leise.
    »Man hat sie denunziert … und dann wurde sie kurzerhand erschossen, wegen Diebstahls einer deutschen Uniform. – Es war eben Krieg …«, fügte er dann noch wie zur Entschuldigung hinzu, »schließlich konnten die Deutschen ja nicht wissen, ob sie nicht einen Spion oder Saboteur mit der Uniform des verwundeten Oberleutnants versorgt hatte …«
    Der Wagen hielt vor der Polizeikommandantur. Der Fahrer ging hinein und kam mit zwei Polizisten zurück. Er schloß die Tür auf. Der Major blieb im Wagen sitzen.
    »Auf Wiedersehen, Herr Major!« sagte Werra und machte noch im Aussteigen so etwas wie eine Verbeugung. Der Pole reichte ihm die Hand.
    »Herr Major …«
    »Bitte?«
    »Herr Major, dürfte ich wohl – bitte verzeihen Sie mir die Frage – dürfte ich wohl Ihren Namen erfahren …?«
    »Sobrowski«, sagte der Major, »Johann von Sobrowski.«
    Die Polizisten griffen den Gefangenen an beiden Armen und führten ihn ins Haus.
    ***
    Vierundzwanzig Stunden verbrachte Franz von Werra im Polizeigefängnis von Nottingham, bis ihn zwei Unteroffiziere der Lagermannschaft von Swanwick mit umgeschnallten Pistolen im Jeep dahin zurückbeförderten, wo er zwei Tage vorher ausgebrochen war.
    Er fand alle seine Freunde wieder vor. Den Hauptmann Cramer, der das Fahrrad des Polizisten gestohlen hatte und dann von ihm wie ein Schmetterling mit dem Umhang gefangen worden war; Leutnant Manhart, der im Omnibus nicht gewußt hatte, daß ›single or return?‹ soviel bedeutete wie ›Hin- oder Rückfahrkarte?‹, Oberleutnant Wilhelm und Leutnant Wagner,

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