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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Volkslieder. Für die meisten Gefangenen schien die Verlegung nach Kanada einen neuen Lebensabschnitt einzuleiten: Abschied von Europa, Start in eine neue Welt, der sie nun für ungewisse Zeit angehören würden. Fast die ganze Nacht lang saßen sie in einzelnen Gruppen zusammen und erzählten einander Geschichten von zu Hause. Es war, als stünde ihnen die eigentliche Gefangenschaft erst für den nächsten Tag bevor.
    Donnerstag, der 9. Januar 1941, begann mit dem üblichen Frühappell. Anschließend mußte jeder PW die inzwischen ausgefertigte Quittung über die empfangenen Kleidungsstücke unterschreiben. Die Tommys, die ihre Gefangenen scheiden sahen, traten aus ihrer angeborenen Zurückhaltung heraus und wurden fast ein wenig kameradschaftlich. Feldwebel ›Saftnase‹ summte Lieder, während er mit einem dicken Bleistift und einer Handvoll Formulare von Zimmer zu Zimmer wanderte. Ein zweiter, namentlicher Appell folgte. Swanwick zählte damals 123 Offiziere. 115 traten die Fahrt über den großen Teich an. Die Kranken und Verwundeten blieben zurück, um bei Gelegenheit nach Deutschland ausgetauscht zu werden.
    Eine kurze Ansprache von Major Fanelsa, der nach Ansicht der meisten Gefangenen sein schweres Amt als deutscher Lagerältester hervorragend geführt hatte. Eine etwas formlose Rede des englischen Lagerkommandanten, die praktisch nur aus einem Satz bestand: »Ich bitte Sie, beim Verlassen der Halle Ihre Butterbrote in Empfang zu nehmen!« Dann begann die Fahrt in zweistöckigen Omnibussen nach Greenock an der Clyde-Mündung. Es war ein trüber, nasskalter Wintermorgen. Wie oft hatten die Gefangenen davon gesprochen, daß man versuchen müsse, einen britischen Hafen zu erreichen, wenn man Aussicht haben wolle, davonzukommen. Nun also kamen sie in eine Hafenstadt – aber nicht als Ausbrecher, sondern unter scharfer Bewachung. Und dennoch, bei der Ankunft gab es eine freudige Überraschung, an die niemand gedacht hatte: Aus allen Teilen Englands strömten mit Autobussen und Eisenbahnzügen die Kolonnen von deutschen Kriegsgefangenen zusammen. Es war ein allgemeines Wiedersehen: die nach Swanwick verbannten Offiziere trafen die alte Mannschaft von Grizedale Hall wieder. U-Boot-Kommandanten fanden ihre Besatzungen, Flugzeugführer begegneten ihren Bordschützen und Funkern.
    An der Pier lag der Passagierdampfer ›Duchess of York‹, der sie nach Kanada bringen sollte. Die Gefangenen, mit Seesäcken und Kartons schwer beladen, erhielten vor der Einschiffung einen Zettel, auf dem ihre Deck- und Kabinennummer vermerkt war. Dann traten sie am Kai in drei Gliedern an, jeder faßte noch zwei belegte Brote, eine Büchse Corned Beef und einen henkellosen Becher mit kochendheißem Kakao. Einige ließen den Becher vor Schreck fallen, so heiß war das Getränk. Werra hatte seinen Becher natürlich auch auf die Erde geworfen und benutzte nun das Durcheinander, um rasch seinen Kabinenzettel zu tauschen, so daß er mit seinem Freund Manhart die gleiche Kabine belegte. Hatten die beiden zusammen ihren Tunnel gegraben, wollten sie nun auch gemeinsam über den Ozean fahren. Aber sie hatten ihre Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn kaum machten sie sich's in ihrer Kabine bequem, als auch schon die Lautsprecher der ›Duchess of York‹ ertönten.
    »Die meinen dich!« sagte Manhart, der gerade damit beschäftigt war, seine Vorräte ins Spind zu packen. Werra lauschte. Tatsächlich, es war sein Name, der durch die Gänge des Dampfers hallte. Englisch ausgesprochen, aber unverkennbar sein Name.
    »Werra! Please contact quartermaster immediatly! Werra!«
    Dem paßte das natürlich durchaus nicht. Ob die Briten ihn am Ende wieder vom Schiff herunterholen wollten? Nun, man mußte den Dingen ins Auge sehen. Werra ging an Deck. Ein Offizier der Air Force und zwei Soldaten traten auf ihn zu.
    »Oberleutnant Werra?«
    »Ja, was ist los?«
    »Welche Kabinennummer?«
    »Nummer 35, aber was soll das?«
    »Sorry, Mr. Werra, aber Sie müssen mitkommen. Wir haben eine Sonderkabine für Sie. Wir haben Befehl, Sie erst wieder zu Ihren Kameraden zu lassen, wenn das Schiff auf See ist. Diese beiden Männer werden Sie bewachen.«
    »Ich protestiere, ich habe meine Strafe schließlich abgesessen!«
    »Ich weiß, aber Sie sollen auch nur in Ihrer Kabine bleiben, bis wir ausgelaufen sind. Lassen Sie Ihre Sachen ruhig in Kabine 35. Und bitte, versuchen Sie nicht, aus dem Bulleye zu kriechen, die Kabine ist markiert und wird bis zur Abfahrt von Land

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