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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Hörer.
    »Borchers?« fragte eine bekannte Stimme.
    »Was gibt's?«
    »In Ogdensburg ist vor zwei Stunden ein Luftwaffenoffizier aufgetaucht. Er gibt an, den Kanadiern ausgerissen zu sein. Er heißt von Werra.«
    »Was?« rief der Konsul.
    »Den Namen schon mal gehört?«
    »Natürlich«, sagte Borchers. Er war jetzt hellwach. »Danke für den Anruf.«
    Jeder Diplomat in einem fremden Land braucht ein paar unsichtbare Freunde, die nie in Erscheinung treten, die ihm aber stets gewisse Nachrichten zukommen lassen. Es war einer dieser Freunde, der den deutschen Generalkonsul als erster davon informierte, daß der Ausreißer Franz von Werra in den USA aufgetaucht war und die Geschichte seiner Fluchtversuche mit einem gelungenen Streich gekrönt hatte.
    Noch in der gleichen Nacht setzte sich Konsul Borchers mit dem Vertragsanwalt der deutschen Vertretung in Ogdensburg, James Davis, in Verbindung und wies ihn an, sich sofort des Falles Werra anzunehmen. Werra war von der amerikanischen Polizei inzwischen eingebuchtet worden.
    Der Polizist auf der Straße in Ogdensburg hatte nur schallend gelacht, als Werra ganz schlicht und einfach sagte: »Ich ergebe mich.« Er hatte Werra beim Ärmel genommen und ihn in eine Seitenstraße geführt, wo das nächste Polizeirevier lag.
    »Ein toller Vogel«, sagte der Streifenpolizist zum Wachhabenden. »Schau ihn dir einmal an. Er sagte nur zu mir: ›Ich ergebe mich‹, und dann kommt er brav mit wie ein Lämmchen.«
    Der Wachhabende legte den Federhalter hin, mit dem er im Revierbuch herumgekratzt hatte, und wischte sich die tintenbefleckten Finger an einem Lappen ab. »Wo kommste denn her?« fragte er Franz von Werra.
    Werra knöpfte seinen Mantel auf und deutete auf seine Luftwaffenuniform. »Ich bin Oberleutnant Franz von Werra, deutsche Luftwaffe, ehemaliger britischer Kriegsgefangener. Ich bitte um Asyl.«
    Der Wachhabende blickte ungläubig auf die Uniform. Als er den Orden auf der linken Brustseite sah, fragte er interessiert: »Ist das ein Eisernes Kreuz?«
    Werra nickte. Mit klammen Fingern zog er ein Bündel Briefe heraus, die seine Anschriften in britischen Gefangenenlagern trugen. Er legte sie auf den Tisch. Der Wachhabende warf einen Blick auf die Briefe und griff zum Telefon.
    »Das ist eine Sache für die Einwanderungsbehörden«, sagte er. Der Streifenpolizist, der bereits einen Haftzettel wegen ›Landstreicherei‹ ausgestellt hatte, zerriss ihn wieder und nickte Werra zu. »Wie biste denn hergekommen?« fragte er.
    »Mit einem Boot über den Lorenzstrom.«
    »Hat dich die Wasserschutzpolizei nicht gesehen?« fragte er.
    Werra zuckte mit den Schultern. »Nebel«, sagte er. Er griff nach seinen Ohren, die jetzt entsetzlich brannten.
    »Gib ihm 'ne Tasse Kaffee«, sagte der Wachhabende zu dem Polizisten, nachdem er mit dem Einwanderungsbeamten telefoniert hatte. »Ruf auch gleichzeitig Doc Harrison an. Er soll mal rüberkommen und sich den Kerl ansehen. Glaube, er ist ganz schön durchgefroren.«
    Werra setzte sich auf die Armesünderbank im Wachlokal und streckte die Beine von sich. Er war müde, aber glücklich. Mit Behagen schlürfte er den heißen Kaffee, den ihm der Polizist brachte.
    Nach ein paar Minuten erschien der Doktor. Er schüttelte den Kopf, als er Werras Ohren sah. »Ganz schöne Erfrierungen«, sagte er. Er puderte die Ohren ein und verpackte sie in Watte. Werra fielen die Augen zu. »Der Kerl ist total erschöpft«, sagte der Arzt. »Laßt ihn nur um Himmels willen schlafen. Das ist alles, was er braucht. Schlaf und Wärme.«
    »Kann er haben«, sagte der Wachhabende.
    »Kann ich mit dem deutschen Konsul sprechen?« fragte Werra.
    »Machen wir morgen früh«, sagte der Wachhabende. »Schlaf dich zuerst mal aus. Morgen früh übernehmen die Einwanderungsbehörden deinen Fall, und dann werden wir weitersehen.«
    Der Polizist führte Werra in eine Zelle, wo er sich erschöpft auf die Pritsche fallen ließ. Er schlief schon, als die Gittertür scheppernd hinter ihm abgeschlossen wurde.
    ***
    Am nächsten Morgen fällte das Gericht von Ogdensburg ohne lange Umschweife ein vorläufiges Urteil gegen Franz von Werra. »Der Angeklagte Franz von Werra hat sich der illegalen Einwanderung in die Vereinigten Staaten von Nordamerika schuldig gemacht. Fortdauer der Untersuchungshaft bis zu einem Verfahren vor einem Bundesgericht wird angeordnet. Ersatzweise können 5.000 Dollar Kaution gestellt werden.«
    Der deutsche Vertragsanwalt James Davis nickte Franz von Werra

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