Einer kam durch
kommen und sich da auf ein schwedisches, spanisches oder finnisches Schiff zu schmuggeln; oder nach Irland überzusetzen.
Cramer und Manhart wollten ebenfalls zusammenbleiben und versuchen, per Bus oder Anhalter Glasgow zu erreichen, wo sie auch auf ein neutrales Schiff hofften.
Werra aber, der Einzelgänger, wollte auf eigene Faust versuchen, nach Deutschland zu kommen.
Seine Erfahrungen während der ersten Flucht im nordenglischen Seengebiet hatten ihn überzeugt, daß ein entflohener Deutscher nur wenig Chancen hatte, wenn es ihm nicht gelang, die Insel zu verlassen, ehe er überhaupt verfolgt wurde. Das hieß also: vor einem allgemeinen Alarm in England. Die einzige Möglichkeit aber, schnell über die Grenze zu kommen, war der Luftweg!
Werra faßte deshalb den Plan, gleich nach dem Ausbruch den nächsten Feldflugplatz der RAF auszumachen und zu versuchen, mit einer geklauten Maschine abzuhauen.
Das war die Grundlage seines Plans. Um ihn in die Tat umzusetzen, war es nötig, sich eine einfache, aber überzeugende Maske zuzulegen. Diese Maske mußte so gut sein, daß sie nicht nur Zivilisten – deren Hilfe er benötigen würde –, sondern auch Offiziere der RAF täuschen konnte.
Werra war sich klar darüber, daß er sich kaum für einen Engländer ausgeben konnte. Nun waren aber glücklicherweise eine Menge Belgier, Tschechen, Holländer, Franzosen, Polen und Norweger seit den deutschen Blitzkriegen bei der RAF; Flüchtlinge, die nur gebrochen Englisch sprachen und mit deren Uniformen die meisten Engländer nicht vertraut waren.
Er nahm sich deshalb vor, als ›Captain Albert William van Lott‹ aufzutreten, holländischer Pilot eines Wellingtonbombers von einer ›Mixed Special Bomber Squadron, Coastal Command‹ mit dem Stützpunkt in Aberdeen. Er wußte nicht genau, auf welchen Flugplatz der britischen Luftwaffe er nach dem Ausbruch stoßen würde, da Swanwick ziemlich weit im Land lag. Infolgedessen schien ihm ein Pilot vom Küstenschutz die beste Tarnung zu sein. Im Inland stationierte Jagdflieger oder Fluglehrer würden schwerlich so vertraut mit Küstenschutzeinheiten sein, daß sie ihm eine Falle stellen konnten.
Der Plan, sich als Küstenflieger auszugeben, war ihm gekommen, als er beim Zeitungslesen auf die Notiz stieß, ein holländischer Pilot bei einer ›gemischten Staffel‹ habe eine Tapferkeitsauszeichnung erhalten. Leider ging aus der Meldung nicht hervor, ob sich das Wort ›gemischte Staffel‹ auf die Piloten verschiedener Nationalität bezog, die in ihr flogen, oder auf vielseitige, »gemischte« Aufträge der Staffel. Diese Zweideutigkeit konnte unter Umständen nützlich werden, wenn ein Platzkommandant ihm ausgetüftelte Fragen vorlegte. Von sich aus fügte er noch das Wort ›Special‹ hinzu, um das so erfundene Sonderkommando mit dem Schleier des Geheimnisses zu umgeben. Als Flugplatz dieser erfundenen Einheit wählte er Dyce bei Aberdeen. Das war erstens weit genug entfernt; zweitens hatte er von einem Kameraden, der viele Einsätze von Norwegen aus in dieses Gebiet geflogen hatte, zuverlässige Einzelheiten über die Lage von Flugplätzen, Fabriken und Marinedepots in Schottland erhalten. Er kannte sich dort ein wenig aus. Auf dieser Grundlage baute er seine neue Persönlichkeit und seine Geschichte auf. Also: Er war bei einem Einsatz über Dänemark – sagen wir beim Angriff auf Esbjerg an der dänischen Westküste – mit seiner Wellington in Flakfeuer geraten. Die Maschine war schwer beschädigt worden. Beim Rückflug hatte er dann irgendwo nördlich von Derby notlanden müssen.
Ja, so würde es gehen. Sobald er dann mit einem britischen Flugplatz Kontakt bekäme, würde er angeben, er habe die Notlandung der ›Wellington‹ bereits an seine Einheit durchgegeben und die Weisung erhalten, sich auf den nächstgelegenen Flugplatz zu begeben, wo er in Kürze abgeholt werden sollte.
Mit dieser Geschichte hoffte er zunächst einmal auf den Flugplatz zu kommen. Und wenn er erst einmal da wäre – nun, dann würde man weitersehen! Kein Grund, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen.
Als Kostüm für diese Maskerade bekam er von dem Oberleutnant der Luftwaffe Podbielski eine wunderschöne, brandneue Fliegerkombination. Ein anderer Kamerad steuerte ein Paar gefütterte Stiefel bei, ein dritter Pelzhandschuhe. Zur Vervollständigung seiner Garderobe kaufte er in der Lagerkantine einen wollenen Schal mit schottischem Muster. Sozusagen made in Aberdeen.
Die anderen
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