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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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gehen.«
    »Und Sie glauben, die Engländer geben jedem Holländer, der zufällig eine Fliegerkombination trägt, gleich eine aufgetankte Maschine?«
    »Das kommt darauf an …«
    »… was Sie den Engländern erzählen, richtig!« sagte Fanelsa. »Und darüber werden wir zwei uns in den nächsten Nächten unterhalten. Ich bin der englische Platzkommandant, den Sie um eine Maschine zum Rückflug nach Aberdeen angehen – und Sie sind das arme Würstchen von einem holländischen Hilfswilligen, der gerade einen kostbaren Wellingtonbomber auf den Bauch geschmissen hat. Ich werde Ihnen schon die richtigen Fragen stellen!«
    Das war natürlich der einzige richtige Weg, und obwohl der Vorschlag von Fanelsa kam, war Werra klug genug, ihn anzunehmen. Sie richteten ein Zimmer als ›Office‹ eines englischen Platzkommandanten ein und probten Werras Auftritt. Es war immer wieder der gleiche Dialog.
    Sie kommen? – Aus Aberdeen. Dyce bei Aberdeen. -Ah, richtig, der Adjutant sagte bereits so etwas. Wo haben Sie Ihre Maschine hingeworfen? – Zwei Stunden entfernt, Colonel. Ich bin etwa zwei oder drei Stunden gelaufen. – Komisch, daß wir hier nichts davon gemerkt haben. Darf ich mal Ihre Papiere sehen? – Colonel, unser gemischtes Spezialkommando hat strengste Anweisung, keinerlei Papiere auf Feindflug mitzunehmen. Ich habe lediglich die Erkennungsmarke! – Was für ein Einsatz war das? – Esbjerg, Colonel, mit einem neuen Zielortungsgerät. Ich hatte strengsten Auftrag, niemand …
    An diesem Punkt warnte Fanelsa regelmäßig: »Nicht zu glatt, mein Lieber! Sie sagen Ihren Vers auf, als hätten Sie ihn aus dem Gebetbuch. Sie müssen mit den Füßen hin und her treten, als sei Ihnen das alles schrecklich peinlich. Ein fremder Flieger, in einem fremden Land, vor einem fremden Offizier. Sie müssen mal ›Hm‹ und ›Ha‹ sagen, sie müssen tun, als sei Ihnen heiß. Wissen Sie, wie Sie reden?«
    »Nee!«
    »Wie ein Oberleutnant der deutschen Luftwaffe. Also, noch einmal!«
    Hauptmann Cramer und Leutnant Wagner traten ein. Cramer hörte sich Fanelsas Unterricht eine Weile belustigt an, aber dann kamen ihm Bedenken. »Haben Sie bedacht, was passiert, wenn Sie drüben ankommen? Sie fliegen bei Tage. Sobald Sie an die Küste von Calais kommen, ballert alles, was vorne ein Loch hat, auf Sie los. Jäger steigen auf – na, und so weiter. Sie müssen in der Luft mit dem Fallschirm aussteigen! Sie brauchen unbedingt einen Fallschirm!«
    Aber davon wollte Werra nichts wissen. »Nee«, sagte er, »ich fliege ganz niedrig und setze in Samer oder Arques auf. Und dann gehe ich zum alten Seile oder zu Lützow und melde mich zurück. Und zwei Stunden später bin ich hier und wackele!«
    »Verrückter Kerl. Häng' doch nicht alles an einen Theatercoup!«
    »Kein Theatercoup! Gleich nachdem wir in Samer angekommen waren, kam eine britische Spitfire und flog ganz niedrig um unseren Platz. Einer von uns, Sanni oder Buddenhagen, stieg auf und drückte sie so lange, bis sie landete. Wer kam raus? 'n kleines Mädchen, achtzehn oder neunzehn Jahre. Hatte seinem Freund die Maschine geklaut, wollte sich mal überzeugen, wie Nazis aus der Nähe aussehen. Na, was so'n Gör kann, werde ich auch noch können.«
    »Laßt ihn«, sagte Fanelsa. »Wenn er erst mal soweit gekommen ist, wird er wissen, was er zu tun hat. Dann kommt er auch durch!« Er stand auf. »Wenn morgen abend Fliegeralarm ist und die Scheinwerfer ausgelöscht sind, können Sie starten!«

Pech gehabt!
    Am 20. Dezember 1940, dem Abend der Flucht, war das Wetter kalt und frostig, Nebel hingen wie Rauchschleier über Mittelengland, die deutsche Luftwaffe begann kurz nach Anbruch der Dunkelheit mit ihren Hinflügen, Sie belegte Liverpool im Westen, Derby im Süden und Sheffield im Norden des Lagers mit Spreng- und Brandbomben, Swanwick lag im Zentrum eines Großangriffes, und das war sehr günstig. Denn natürlich wurden sämtliche Scheinwerfer abgestellt, und die Posten auf ihren Wachttürmen waren auf das angewiesen, was ihnen ihre Ohren verrieten. Sehen konnten sie nichts.
    Werra trug seine Fliegerkombination, Pelzstiefel und gefütterte Handschuhe. Er sollte als erster den Tunnel durchbrechen – eine schweigende Anerkennung seiner Verdienste um die ›Swanwick Tiefbau AG‹, die an diesem Abend praktisch ihre Bücher schloß. Ein anderer Gefangener sollte hinter ihm liegen und melden, sobald Werras Ausbruch geglückt war. Dann sollten Cramer und Manhart folgen. Das

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