Einer kam durch
zufrieden geben. Auch dann war es noch schwierig, Kleingeld statt eines Scheines zu erhalten. Der Erlös wurde gleichmäßig auf die fünf Ausbrecher verteilt. Jeder verließ also mit genau vier Schillingen in der Tasche das Lager Swanwick, um Deutschland zu erreichen.
»Das ist bestimmt der niedrigste Preis, der je für eine Überfahrt gezahlt wurde«, sagte Wagner.
Außer Manhart wollte keiner der Gefangenen Gepäck mitnehmen. Manhart allerdings hatte einen Vulkanfiberkoffer erworben, auf den er überaus stolz war und den er für das gegebene Fluchtgepäck hielt. Hineinzutun hatte er nichts außer ein paar Toilettesachen und seine Schokoladenriegel. Als Nichtraucher hatte er stets seine Zigarettenration gegen Schokolade eingetauscht und wollte sie um keinen Preis zurücklassen.
Seine Schokoladenhamsterei war eine Quelle der Heiterkeit für das ganze Lager – besonders deshalb, weil er selber keine Schokolade zu essen schien. Was macht er nur damit? fragten die anderen. Stellten sie Leutnant Manhart diese Frage, dann pflegte er dunkel zu antworten:
»Laßt nur! Die wird mir eines Tages sehr viel nützen!« Mehr wollte er nicht verraten.
Inzwischen näherte sich der Tunnel seiner Vollendung. Eines Tages bemerkte Werra in der Erde, die er fortschaffte, dünne Wurzelteile. Der Tunnel war unter der Hecke jenseits der beiden Drahthindernisse angekommen. Er begann mit Manhart langsam nach oben zu wühlen.
Zwei Tage später stürmte eine Gruppe aufgeregter Gefangener, darunter Werra und Major Fanelsa, an ein Fenster im obersten Stock des Nordflügels. Sie befanden sich ungefähr in doppelter Höhe des Wachturmes und konnten den Boden auf der anderen Seite der Hecke überblicken.
Und da … leise hin und her wippend, stand einen Meter jenseits der Hecke das aus dem Treibhaus entwendete Bambusrohr, das Leutnant Manhart von unten durch den Rasen gestoßen hatte.
Manhart befand sich einen halben Meter unter der Erde – außerhalb des Stacheldrahtes. Theoretisch war er bereits in der Freiheit.
Die Männer am Fenster mußten sich zusammennehmen, um nicht laut zu schreien.
Der Tunnelbau war geglückt.
***
Jedermann im Lager wußte, daß Major Fanelsa, der deutsche Lagerführer, kein Freund des Tunnelbaues gewesen war. Infolgedessen hielt es jedermann für Schikane, als er die Meinung vertrat, Werra müsse den Tunnel noch zwei oder drei Meter weiterführen, um etwas entfernter vom Wachturm aus der Erde zu kommen. Das führte zu einem heftigen Wortwechsel zwischen den beiden.
»Wir können ja gleich bis nach Calais weiterbuddeln«, sagte Werra bockig. »Und wenn wir da sind, werden Herr Major wahrscheinlich anordnen, daß wir bis zur Wilhelmstraße weiterbohren müssen.«
»Melden Sie sich mit Ihren vier Kameraden in einer halben Stunde zum Rapport«, erwiderte der deutsche Lagerleiter.
Der Rapport verlief dann weniger scharf als erwartet. Die Mitglieder der ›Swanwick Tiefbau AG‹ mußten zugeben, daß Fanelsa einige berechtigte Klagen vorzubringen hatte.
»Ich muß das Lager verantwortlich führen«, sagte er. »Einer muß das schließlich tun! Ich habe nicht nur Offiziere, sondern auch Unteroffiziere und Männer unter mir. Wie soll ich einen Rest Disziplin aufrechterhalten, wenn seit Wochen jeder Idiot mit Nachschlüssel in der Tasche herumschleicht und tut, als seien wir bei den Karl-May-Festspielen, nicht im Krieg. Außerdem hat sich eine Gesundheitskommission der Engländer angesagt, die eine Reihe von Kameraden in die Heimat schicken will. Schwerkriegsbeschädigte! Wenn ihr nun ausbrecht – und vielleicht brechen noch ein paar andere mit aus – und werdet gefangen, was dann? Ihr brummt im Bunker, und diese armen Burschen kommen vielleicht nie mehr in die Heimat. Es ist meine Pflicht, nicht nur für ein paar Ausreißer, sondern für alle im Lager zu sorgen.«
Dies mußten sie ihm zugestehen. Der Ton wurde daraufhin freundlicher. Fanelsa nahm sich Werra vor. »Ich habe von Ihrem Plan gehört, ein englisches Flugzeug zu klauen und damit über den Kanal zu fliegen. Wissen Sie, daß ich im Grund überzeugt bin, daß Sie der einzige Mann sind, dem so etwas unter Umständen gelingen könnte?«
Werra legte den Kopf auf die Seite. Schau mal diesen Fanelsa an, dachte er. Davon hat er sich bisher nichts anmerken lassen.
»Aber, mein Lieber«, fuhr der Major fort, »so einfach, wie Sie sich das denken, ist das nicht. Sie sprechen nicht gerade ein astreines Englisch!«
»Deswegen will ich ja als Holländer
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