Einer kam durch
Flüchtlinge wollten sich als Zivilisten ausgeben. Nachdem dies feststand, begann die ›Fälscherabteilung‹ des Lagers eifrig mit Herstellen von Ausweisen.
Werra selbst glaubte allerdings, ohne Ausweispapiere auskommen zu können. Wenn er danach gefragt werden sollte, dann konnte er darauf hinweisen, daß bei einem Feindflug niemand Ausweispapiere mitnehmen dürfe. Eine Erkennungsmarke dagegen war unumgänglich notwendig! Das wußte er seit seiner letzten Flucht nur zu genau.
Während des deutschen Vormarsches in Frankreich war eine britische ›Bristol Blenheim‹ abgeschossen worden. Werra hatte damals den Auftrag erhalten, die Überlebenden zu seiner Einheit zu bringen. Er erinnerte sich noch genau, daß die Erkennungsmarken der Engländer aus einer rotbraunen Masse angefertigt waren, in die Name und Nummer des Trägers zusammen mit einigen Buchstaben eingepresst waren. Die Buchstaben bezeichneten die Religionsgemeinschaft, hatte ihm ein Abwehroffizier damals gesagt. Leider wußte er nicht mehr genau, wie groß die Marken gewesen waren und ob auch der Dienstgrad des Trägers darauf stand. Um ganz sicher zu gehen, veranstalteten Werra und zwei Kameraden von der ›Fälscherabteilung‹ eine Sondervorstellung in der Lagerküche.
Sie wandten sich an den britischen Korporal, der die Aufsicht führte, und baten ihn, den Ausgang einer Wette zu entscheiden. Werra erklärte ihm, er habe einmal die Erkennungsmarken gefangener britischer Flieger gesehen und wisse noch ganz bestimmt, daß sie außer Dienstgrad, Namen und Nummer des Trägers auch seine Religionszugehörigkeit anzeigten. Seine beiden Kameraden dagegen sagten, es sei völlig lächerlich, anzunehmen, daß auch die Religion vermerkt sei. So bigott seien nicht einmal die Engländer!
»Wer hat nun recht?«
»Überzeugen Sie sich selbst«, erwiderte der Korporal, der als Engländer Verständnis für eine Wette hatte, und zog seine eigene Marke an einer Schnur aus der Hosentasche.
»Na, was habe ich gesagt?« rief von Werra triumphierend. »Seht ihr! ›CE‹, das bedeutet ›Church of England‹; und das kostet euch pro Nase fünf Zigaretten!«
»Aber ganz im Recht waren Sie doch nicht«, korrigierte der Korporal, »der Dienstgrad ist nicht angegeben.«
»Tatsächlich, stimmt!« erklärte von Werra. »Sagen wir also: drei Zigaretten!«
»Zeig her!« sagten die anderen. »Das wollen wir selbst sehen!«
Während er den Korporal mit einer umständlichen Beschreibung der deutschen Erkennungsmarke ablenkte, wanderte die britische Marke von Hand zu Hand. Gewicht und Größe wurden sorgfältig vermerkt, ebenfalls Größe und Platzierung der eingepressten Buchstaben und die Zahl der Ziffern für die Einheit.
Kaum waren sie aus der Küche heraus, als schon einer den Füller zog und mit Tinte den Kreis markierte, den die Marke hinterlassen hatte, als er sie fest in seine Innenhand preßte.
Nachdem diese Unterlagen besorgt waren, begann die Arbeit der Fälscherabteilung. Zuerst versuchten sie es mit Linoleum. Der Stoff war oben hart, glänzend und großartig geeignet; aber er hatte leider die falsche Farbe und nahm die selbstgemachte Druckerschwärze nicht an. Außerdem war das Linoleum zu dick und auf der Unterseite rauh und strähnig.
Gefärbte Pappe erwies sich als besser, war aber zu leicht. Diese Schwierigkeit ließ sich jedoch überbrücken, indem die Pappe gespalten und in der Mitte durch Zinn aus einer Zahnpastatube verstärkt wurde. Dann wurde die ganze Geschichte wieder mit Harz aus den Astlöchern im Gartenhaus zusammengeklebt.
Es kostete Zeit und große Mühe, bis es gelang, die Markierung der echten Marke zu kopieren. Mit der Spitze einer Nagelfeile, die an einem Stein geschliffen wurde, konnten jetzt Buchstaben und Zahlen in die Pappe geschnitten werden. Es dauerte lange, aber was schließlich entstand, war die erstklassige Fälschung einer britischen Erkennungsmarke. Sie wurde ein paar Tage lang auf das Rohr der Heißwasserleitung gelegt, um hart zu werden und die leichte Rundung anzunehmen, die des Korporals Marke auch gehabt hatte.
Finanziert wurden die Ausbrecher völlig von Oberleutnant Wilhelm. Es war den Gefangenen natürlich streng untersagt, im Besitz von britischem Geld zu sein. Der Sold wurde nur in Kantinenschecks ausgezahlt. Oberleutnant Wilhelm besaß aber einen Brillantring, den er zum Verkauf anbot. Weil es ein für beide Seiten ungemein gefährliches Geschäft war, mußte er sich mit dem Angebot von einem Pfund Sterling
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