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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Glück, und vergiß nicht: ›One for Nottinghams‹.« Der Satz ›Einmal nach Nottingham‹ war besonders wichtig, falls Cramer und Manhart auf dem Bus getrennt werden sollten.
    »Mach's gut, Sonny!« gab Manhart zurück. »Wir treffen uns dann bei Kranzler am Kurfürstendamm! Du wirst sicher als erster zu Hause sein. Vergiß nicht, meine Freundin anzurufen!«
    Cramer war schon verschwunden. Manhart zögerte noch, dann machte er eine Bewegung mit dem Handkoffer.
    »Sie ist nämlich ganz verrückt auf Schokolade«, flüsterte er, »sag ihr, daß ich mit einer ganzen Ladung unterwegs bin!« Er drehte sich um und wurde von der Nacht verschluckt.
    Wenig später trafen Wagner und Wilhelm ein und berichteten, daß im Lager alles ruhig sei. Auch sie verschwanden in der Nacht, und nun war Franz von Werra allein.
    Das Lager lag keine zweihundert Meter von ihm entfernt im Dunkel – aber es schien schon ganz aus seinem Gesichtskreis verschwunden zu sein, Teil eines anderen Lebens, einer ganz anderen Welt. Es gab keinen Luftwaffenoberleutnant Franz von Werra mehr, nicht mehr den vergnügten und auch in der Gefangenschaft immer zu allen Streichen aufgelegten Franzi. Er war jetzt Captain William van Lott, ein holländischer Flieger im Dienst der britischen Royal Air Force.
    Er hatte keine Eile. Wenn das Glück auf ihrer Seite war, dann konnte die Flucht nicht vor dem Morgenappell um acht entdeckt werden. Vielleicht würde es den Gefangenen sogar gelingen, bei der Zählung zu mogeln – den Trick mit dem Überwechseln von einem Glied ins andere hatten sie wieder sorgfältig geübt, es waren fünf kleinere Kameraden dafür bestimmt worden, die sich leicht hinter ihrem Vordermann durchschmuggeln konnten. Jedenfalls würde er über alle Berge sein, wenn die Tommies dahinter kamen, daß sie ihre Schäfchen nicht mehr alle beisammen hatten.
    Immer noch dröhnten Dornier-, Junkers- und Heinkelbomber in Abständen am Himmel. Die Freunde da oben schienen schon auf dem Heimflug zu sein. Aber sicher wäre es für ihn besser, bis zur Entwarnung und möglichst auch noch die erste Stunde nach dem Fliegeralarm die Straßen zu meiden, sonst könnte noch irgendeiner auf den Gedanken kommen, er wäre ein abgeschossener deutscher Flieger.
    Werra hockte sich also wieder zwischen Schuppen und Hecke und zählte die Stunden nach den viertelstündigen Anschlägen der Lageruhr. Es wurde immer kälter, der Frost drang ihm bis ins Mark, aber was machte das schon. Hauptsache, er war frei!
    Der Mond verkroch sich hinter den Wolken, die Nacht wurde ganz schwarz, und nur ein paar Nachzügler brummten noch in Richtung Kanal. Schließlich war von den Flugzeugen überhaupt nichts mehr zu hören, und auch das heisere Bellen der Flak verstummte. Franz von Werras Gedanken verloren sich in der Vergangenheit, er dachte wieder daran, wie er als kleiner Junge nach Amerika ausgekniffen war, an die ruhelosen Wanderjahre seiner Jugend, als er Schlosser, Gärtner und Goldsucher werden wollte. Dann dachte er an Elfie, und dieser Gedanke wärmte ihm eine halbe Stunde das Herz und ließ ihn den Nebel und die Kälte vergessen.
    Als die Uhr drei schlug und immer noch keine Entwarnung gegeben war, hielt er es nicht länger aus. Steifgefroren und ein wenig zitterig kam er aus seinem Versteck, warf die selbstgeschneiderte Mütze über die Hecke, kämmte sich das Haar, klemmte die neueste Nummer der ›Times< unter den Arm und machte sich auf den Weg in die Ungewissheit.
    ***
    Wahrscheinlich wäre er weniger sorglos gewesen, wenn er geahnt hätte, daß um diese Zeit die Polizei bereits das ganze Gebiet nach den Flüchtlingen absuchte. Etwas Unvorhergesehenes war eingetreten:
    Als Hauptmann Cramer und Leutnant Manhart ihren Kameraden Werra verlassen hatten, waren sie in scharfem Tempo nach Osten in Richtung auf den Ort Somercotes marschiert, weil sie hofften, dort einen Bus nach Nottingham zu finden. Sie warteten wohl eine Stunde, aber kein Bus kam. Mit der Zeit fürchteten sie, den vereinzelt vorüberkommenden Leuten aufzufallen. Vielleicht war der letzte Bus schon fort? Oder war hier am Ende gar keine Haltestelle? An dem Mast der Überlandleitung hing zwar ein Schild, das wie ein Fahrplan aussah, aber Genaueres konnten sie in der Dunkelheit nicht erkennen, und daß sie ihre Streichhölzer vergessen hatten, das hatten sie schon festgestellt, als sie die Wartezeit mit einer Zigarette verkürzen wollten.
    Ein paar Männer kamen vorbei, anscheinend aus einer Kneipe, denn zwei

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