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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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zählen, das nachher zur Bank gebracht werden sollte.
    Werra sah auf die Uhr. Es war jetzt 25 Minuten vor sieben. »Wann zum Teufel kommt der Polizist nun wirklich?« fragte er ungeduldig. »Diese blödsinnige Zeitvergeudung …«
    »Ja, das stimmt. Die scheinen sich nicht sehr anzustrengen«, stimmte Eaton zu.
    »Vielleicht kommt er überhaupt nicht. Und ich warte hier bis Mittag völlig für die Katz!«
    »Ja, das ist tatsächlich dumm, Captain. Ich verstehe das einfach auch nicht. Der Sergeant sagte, in zehn Minuten …«
    »Ich muß unbedingt zum Flugplatz. Sie haben ja keine Ahnung, wie dringend die Sache wirklich ist. Wo ist der Flugplatz übrigens?«
    »Hucknall.«
    »Ach ja, richtig, Hucknall! Da liegt doch auch eine Langstreckenbombergruppe!«
    »Tatsächlich? Ich dachte, da wäre nur die Ausbildungsgruppe. Bei gutem Wetter kann man sie den ganzen Tag in der Luft sehen.«
    »Dann kann der Platz nicht weit weg sein?«
    »So an die zehn Meilen Straße – etwa fünf Meilen Luftlinie.«
    »Hören Sie mal«, sagte Werra nachdenklich, »ich dürfte ja darüber nicht reden, aber es gibt offenbar keine andere Möglichkeit, Ihnen die Dringlichkeit meines Auftrags klarzumachen: ich gehöre zu einer Spezial-Erprobungsstaffel. Heute nacht haben wir ein neues Zielgerät und ein paar andere Instrumente zum ersten Mal ausprobiert. Geheime Kommandosache! Die Ergebnisse werden dringend erwartet! Jetzt verstehen Sie viel leicht, warum ich unbedingt so schnell wieder nach Aberdeen muß, was?« Der Schalterbeamte schien beeindruckt.
    »Was Sie nicht sagen! Mann, wenn Sie das gleich gesagt hätten! 'n neues Gerät, sagen Sie?«
    »Das ging doch nicht. Ich darf doch zu niemand darüber sprechen. Sie müssen auch unbedingt den Mund halten, sonst stellt man mich an die Wand.«
    »Tatsache? Ob ich wohl mal Hucknall anrufe?«
    »Bitte, machen Sie das! Dann geht es sicher schneller. Sagen Sie denen, daß Sie mir einen Wagen schicken sollen. Vielleicht kommt die Polizei noch vorher; wenn nicht, können Sie ja sagen, daß ich einfach nicht noch länger warten konnte.«
    Sam Eaton hob den Hörer ab und verlangte Hucknall RAF-Flugplatz. Dann drehte er sich nach dem ›Holländer‹ um. »Sagen Sie mir doch Ihren Namen, Einheit usw.«
    »Moment mal, ich schreibe es Ihnen auf.«
    Der Beamte reichte ihm einen dicken schwarzen Bleistift und ein Telegrammformular. Die Verbindung mit Hucknall kam erstaunlich schnell, obwohl er die Nummer nicht gewußt hatte.
    »Wen soll ich verlangen?« flüsterte er eifrig.
    Werra überlegte blitzschnell. »Verlangen Sie den Platzkommandanten.«
    »Hallo! Ist da die RAF? … Kann ich mit dem Platzkommandanten sprechen? Bitte? … Was sagen Sie? … Sie können mich nicht verbinden? … Das ist etwas kompliziert. Hier spricht der Schalterbeamte von Codnor Park, LMS-Bahnhof … Codnor Park … nicht RAF – LMS Eisenbahn … Ja … Ich habe hier einen holländischen Piloten, der mit einer Wellington abgeschmiert ist.«
    Inzwischen hatte der ›Holländer‹ seinen Namen und Dienstgrad auf das Telegrammformular geschrieben, das er dem Beamten hinüberreichte:
    ›Cptn van Lott
Coastl Command Staff
Mixt special bomber squdr.‹
    Die Adresse war, wie hinterher leicht festzustellen ist, fehlerhaft. Zunächst einmal erhielten alle alliierten Flieger, die in der RAF Dienst taten, auch die Dienstgrade der RAF, und in der RAF gab es keinen ›Captain‹, der noch dazu Cptn. abgekürzt wurde. Dann ist für jeden, der Deutsch versteht, der Strich auf dem u in dem ebenfalls falsch abgekürzten Wort squdr. mehr als verräterisch. Schließlich war es unwahrscheinlich, daß selbst ein Holländer ›Coastl‹ statt Coastal und ›Mixt‹ für Mixed schreiben würde, wenn es sich um die Bezeichnung der eigenen Einheit handelte.
    Man darf Sam Eaton vielleicht zugute halten, daß er diese Fehler nicht entdecken konnte, weil er inzwischen völlig unter dem Eindruck der Persönlichkeit des ›Holländers‹ stand. Die Wirkung ging nicht so sehr von der Geschichte aus, die van Lott erzählte, als von der Art, in der er sie vorbrachte.
    Übrigens ist dieses Dokument später bei keiner der fünf verschiedenen offiziellen Untersuchungen über Werras Flucht vorgelegt worden. Nur wenige Menschen wußten überhaupt, daß es existierte. Mr. Eaton trug es jahrelang in seiner Brieftasche, bis es an den Rändern durchgewetzt war. Dann legte er es in eine Schachtel, und dort blieb es, bis das Material für dieses Buch

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