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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Person sicher nachlassen.
    Für einen unbeteiligten Zuschauer wäre die Szene nicht ohne psychologischen Reiz gewesen. Vielleicht waren der dramatische Auftritt der Kriminalisten, ihre undurchdringlichen Blicke und das eisige Schweigen, dann die plötzliche schneidende Frage: »Sprechen Sie Deutsch?« – vielleicht war das alles nur ein gut einstudierter Bluff gewesen? Hatten hier drei mittelmäßige Schauspieler einen besseren getroffen? Jedenfalls schienen sie im Moment mit ihrem Latein – oder besser gesagt, mit ihrem Deutsch – am Ende zu sein.
    Der zweite Kriminalbeamte in Zivil griff nach dem Zettel auf dem Tisch, warf einen Blick darauf und fragte beiläufig: »Sie gehören also zum Küstenschutz, ja?«
    Der Ton hatte alle Schärfe verloren, Werra nahm das genau wahr, und im gleichen Moment löste sich auch seine eigene Spannung. Es war, als hätte man aus einem Luftballon, der bis zum Platzen aufgeblasen war, plötzlich die Luft abgelassen. Nun wußte er mit einem Male, daß diese Leute nicht gekommen waren mit der Gewissheit, auf Codnor Park Station einen deutschen Ausbrecher verhaften zu müssen. Offenbar wußten sie gar nichts und wollten nur einmal auf den Busch klopfen. Wie die Sache ausging, das würde allein von ihm abhängen, und zwar davon, ob es ihm gelänge, seine Geschichte wirklich glaubhaft zu erzählen.
    Wieder hätte der unbeteiligte Zuschauer Gelegenheit gehabt, sich zu wundern. Dem Schalterbeamten Sam Eaton brauchten die verdächtigen Fehler auf dem Zettel, den Werra ihm neben das Telefon geschoben hatte, nicht aufzufallen. Aber hätte ein Kriminalist nicht Verdacht schöpfen müssen? Doch an diesem frostigen Dezembermorgen im Schalterraum von Codnor Park Station schien es keinen unbeteiligten Zuschauer zu geben.
    Hatten die blauen Augen und der jungenhafte Charme Franz von Werras auch die Polizisten bereits entwaffnet?
    »Ja«, sagte Werra, »normalerweise fliegen wir Küstenschutz. Aber heute nacht, das war schon eine tolle Sache. Wissen Sie, Ihnen kann ich's ja erzählen, Sie sind ja von der Polizei. Und diesem Herrn hier«, Werra deutete auf Sam Eaton, »dem habe ich es auch gesagt, damit er begriff, wie dringend ich zu meinem Geschwader zurück muß. Na ja, also die Sache ist so: Man hat in Dyce bei Aberdeen – das ist unser Flugplatz – ein paar von uns Küstenschutzfliegern für Sondereinsätze herausgezogen und zu einer ›Special Squadron‹ zusammengestellt. Ist ein bunter Haufen: Engländer, Franzosen, Holländer, sogar einen Amerikaner haben wir dabei. War Postflieger irgendwo in den Rocky Mountains. Alles alte Luftkutscher. Mich haben sie genommen, weil ich schon vor dem Krieg bei der KLM geflogen bin.«
    »Wie alt sind Sie denn?« unterbrach ihn der uniformierte Polizist.
    Werra erschrak. Er war sechsundzwanzig, sah aber eher jünger als älter aus, besonders wenn er lachte. Jedenfalls war es unwahrscheinlich, daß er mit fünfundzwanzig Jahren schon ein ›alter Luftkutscher‹ bei der KLM gewesen sein konnte.
    »Achtundzwanzigeinhalb«, sagte er auf gut Glück, »aber vorzeitig befördert. Wissen Sie, die KLM hat vor drei Jahren ein paar Maschinen an die ›Ethiopian Airlines‹ verkauft, alte Kisten natürlich, aber da stand im Vertrag, daß unsere Gesellschaft die Maschinen noch ein Jahr lang mit ihren eigenen Besatzungen fliegen mußte. Na, und weil wir froh waren, die Dinger loszuwerden, weil aber um Gottes willen im ersten Jahr keine von den Maschinen an Altersschwäche eingehen durfte, da wurden eben ein paar erfahrene Besatzungen mit nach Afrika geschickt, und wir hatten die Chance, rasch aufzurücken.«
    Die Geschichte war von A bis Z erfunden, und Werra wunderte sich selbst nicht am wenigsten, wie gut ihm das Garn von der Spindel ging. Die sollten nur Fragen stellen, er würde sie schon beantworten, dachte er übermütig. »Erzählen Sie weiter!« sagte der Mann im Tweedmantel, aber das klang schon eher nach persönlichem Interesse als nach Vernehmung.
    »Meine Herren!« sagte Werra bedeutungsvoll, »Sie sind zwar von der Polizei, aber Sie wissen, daß militärische Geheimnisse nur die unmittelbaren Beteiligten etwas angehen. Ich verlasse mich also darauf, daß Sie über Dinge, die Sie jetzt gewissermaßen dienstlich erfahren, strengstes Stillschweigen bewahren. Ich kann Ihnen auch nicht mehr sagen als dies: Wir haben heute nacht bei dem Angriff auf Esbjerg ein neues Bomben-Zielgerät ausprobiert, das es uns ermöglicht, auch bei geschlossener Wolkendecke

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