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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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nämlich eine Fliegerschule für polnische Piloten, und von denen war er gewohnt, daß sie sich zwar verständlich machen konnten, wenn man ihnen gegenüberstand, daß sie am Telefon aber meist hilflos herumstammelten. Ein Ausländer, der so selbstsicher und gewandt telefonierte, erschien dem Offizier schon verdächtig.
    Er selbst war Flying Officer, Oberleutnant in der RAF, und hieß Thomas Ivenhoe Plant. Bis vor wenigen Wochen hatte er Jagdeinsätze geflogen, nun hatten sie ihn als Fluglehrer nach Hucknall geholt, wo junge Polen, die sich aus der Armee des Generals Anders zur Royal Air Force meldeten, geschult wurden.
    Und da Plant sich jeden Tag mit seinen Flugschülern am Himmel über der Grafschaft Nottingham herumtummelte, kannte er das Gelände natürlich wie sein Bettlaken. Wie dieser fliegende Holländer da mitten in der Nacht mit seiner Wellington gelandet sein wollte, ohne daß auch nur einem Mann der Besatzung etwas passiert war, das sollte er ihm erstmal erzählen! Natürlich, Fliegerglück – so etwas gab es. Aber … nun, man würde ja sehen …
    Was ihn aber am meisten an diesem Telefongespräch störte, das war die auffallende Redseligkeit dieses Mannes, der sich Captain van Lott nannte. Er schien bei allem, was er sagte, immer eine Spur zuviel darauf bedacht, das Interesse und das Vertrauen seines Gesprächspartners zu gewinnen. Mitunter hatte Plant das Gefühl, als rede der andere einfach drauflos, damit nur die Verbindung nicht abgebrochen würde.
    Und schließlich war da die Sache mit der Geheimhaltung. Wie konnte ein Flugzeugführer der Royal Air Force von einem öffentlichen Telefon aus über militärische Geheimnisse sprechen! Wie konnte er sagen, daß er geheime Instrumente in seiner Maschine gehabt habe! Ein geradezu sträflicher Leichtsinn! Na ja, er war Holländer. Unter diesen Hilfsvölkern kamen die merkwürdigsten Heiligen vor – da war er schließlich auch von seinen Polen einiges gewohnt.
    Und andererseits, sagte sich der Offizier vom Dienst mit einem Seufzer, wenn dieser nächtliche Findling kein abgestürzter Holländer im Dienste der RAF war – was war er dann überhaupt? Ein Spion? Ein Wahnsinniger? Das erschien ihm ebenso unglaubwürdig, denn der Stationsvorsteher hatte doch offenbar einen ganz zuverlässigen Eindruck von dem Mann gewonnen. Thomas Ivanhoe Plant wußte wirklich nicht, was er von der Sache halten sollte. Im Krieg und in der Liebe passieren bekanntlich die merkwürdigsten Dinge. War dieser van Lott aber echt, und mußte er wirklich dringend zu seiner Einheit zurück, dann konnte man ihn nicht gut bei den Eisenbahnern sitzen lassen.
    Übrigens, eins sprach für ihn: Er hatte sich nicht für die in Hucknall stationierten Maschinen interessiert, sondern behauptet, daß ihn eine Maschine seines eigenen Geschwaders abholen würde. Und wenn der Feind auf Hucknall einen Spion ansetzen wollte, dann würde er ja wahrscheinlich auch eher einen Polen als einen Holländer schicken … Schließlich, was gab es in Hucknall überhaupt zu spionieren!
    Hätte der britische Oberleutnant gewußt, daß in der gleichen Nacht fünf deutsche Luftwaffen-Offiziere aus Swanwick ausgebrochen waren, dann wäre er wahrscheinlich keine Minute unschlüssig gewesen.
    Aber der Offizier vom Dienst in Hucknall wußte nicht einmal, daß in der Schlossartigen Gebäudeansammlung südlich von Swanwick überhaupt ein Gefangenenlager existierte, obgleich er oft über das nur 25 Kilometer entfernte Lager hinweggeflogen war. Es gab damals auch noch keinen Warndienst, der britische Flugplätze bei der Flucht deutscher Luftwaffenangehöriger sofort alarmierte. Dieser Warndienst wurde erst drei Tage später eingerichtet – als Resultat von ›van Lotts‹ Besuch in Hucknall.
    Nachdem er lange genug über das Für und Wider dieses Falles nachgedacht hatte, beschloß der Engländer, Captain van Lotts Geschichte an Ort und Stelle zu prüfen. Wenn der Mann ein Schwindler war, dann würden ihn sicher seine Kleidung, seine Papiere, die Art seines Berichtes oder irgendeine andere Kleinigkeit verraten. Man brauchte ja nur in seiner Gegenwart seine angebliche Einheit anzurufen. Also möglichst rasch her mit dem Kerl!
    Also läutete der Oberleutnant Plant nach dem Kraftfahrer vom Dienst und gab ihm Befehl, sofort nach Codnor Park Station zu fahren. Er beschrieb ihm den Weg, schnallte seine eigene 38er Dienstpistole ab, gab sie dem Fahrer und schärfte ihm genaue Verhaltensmaßregeln ein:
    »Sie holen dort

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