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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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gebracht, er mußte an Bonifatius Kiesewetter denken, aber er beherrschte sich in Gegenwart des Fahrers. Immerhin blieb ihm unter den verschiedenen Namen dieser Boniface allein im Gedächtnis, und er glaubte noch nach Monaten, es sei eben dieser stellvertretende Adjutant Commander Boniface gewesen, mit dem er telefoniert und knapp anderthalb Stunden später das aufregendste Gespräch seines Lebens geführt hatte.
    Erst beim Studium der Untersuchungsberichte der RAF stießen die Verfasser dieses Berichtes auf den Oberleutnant Thomas Ivanhoe Plant, der der wirkliche Gesprächspartner Werras gewesen war.
    Während der ehrwürdige ›Austin‹ abwechselnd über Asphaltstraßen fuhr und dann wieder über Feldwege rumpelte, nahm Werra das Gespräch mit dem Fahrer wieder auf. Der Adjutant war also auf Weihnachtsurlaub – das war also das richtige Stichwort für ihn.
    »Ja, ja, der Weihnachtsurlaub!« sagte er mit einem bedauernden Unterton, als habe er selbst schon viele Jahre das Weihnachtsfest fern von daheim verbracht, um dann etwas spöttisch hinzuzufügen: »Der Herr Adjutant hat natürlich viele kleine Kinder, und die wollen ihren Daddy eben Weihnachten zu Hause haben.«
    »Kinder haben andere Leute auch, Sir!« sagte der Fahrer.
    »Na«, meinte Werra und grinste mit seinem ganzen unverschämten Charme, der auf Männer so gut wie auf Frauen wirkte, »und was ist mit Ihrem Weihnachtsurlaub?«
    Die Frage tat ihre Wirkung: »Was soll schon sein, Sir«, raunzte der Fahrer, ein Mann um die Vierzig, »ich bin erst im Februar dran. Februar ist meist neblig hier in Hucknall, dann ist weniger Betrieb.«
    Werra nahm die Wendung des kameradschaftlichen Gesprächs vom Privaten ins Dienstliche blitzschnell auf: »Mehr Bomber oder mehr Jäger auf dem Platz?«
    Die Antwort war ernüchternd: »Weder noch, Sir, nur ein paar alte Mühlen.«
    »Wieso das?«
    »Nun, wir sind ja Fliegerschule. Und gute Maschinen sind heute wohl zu kostbar, um sie auf den Bauch zu schmeißen.«
    »Viel Bruch?«
    »Mindestens jede Woche einer.«
    »Fliegen aber nur am Tage, was?«
    »Yes, Sir!«
    »Auch Sonnabends?« (Es war Sonnabend, der 21. Dezember. Was wäre, wenn die Burschen am Sonnabend blau machten?)
    »Auch am Samstag, Sir.«
    Es wurde heller. Raureif schimmerte rosig unter der aufgehenden Sonne von den Büschen. Über eine Hagedornhecke sah man ein Gitter aus weiß überzuckertem Maschengewebe, von Stacheldraht bewehrt. Dahinter in einiger Entfernung die Leitwerke abgestellter Maschinen. Das mußte der Flugplatz sein.
    »Hucknall Airfield, Sir!« sagte im gleichen Moment der Fahrer. »Die Einfahrt ist da hinten rechts.«
    Nun wurde es ernst.
    Ein leichtes Frösteln zog Werra über die Haut. Würden die Posten ihn ohne Ausweis passieren lassen? Würde dieser Boniface ihm seine Geschichte abnehmen? Er hatte es jetzt mit Fachleuten zu tun, nicht mehr mit Eisenbahnern oder Polizisten!
    Quatsch, wer A sagt, muß auch B sagen!
    Sie überholten Soldaten in der Uniform der RAF, die zu Fuß oder auf Fahrrädern dem großen Tor zustrebten. Vermutlich waren es die Verheirateten, die außerhalb des Flugplatzbereichs wohnen durften, dachte Werra. Alles fast genauso wie auf einem deutschen Fliegerhorst. Ein Wachhaus mit einem Glasfenster, hinter dem ein UvD saß, ein Schlagbaum, schwarz-weiß geringelt wie eine deutsche Eisenbahnschranke, Ziegelbauten und Baracken. Nur der Posten, der den Schlagbaum öffnete, war ein englischer Militärpolizist.
    Der Fahrer reichte einen Zettel hinaus, der Posten prüfte Zettel und Wagennummer, trug etwas in eine Liste ein, gab den Zettel zurück und tippte an die Mütze. Auf den Fahrgast verschwendete er keinen Blick. Er war jetzt auf dem Flugplatz.
    »Fahren Sie doch bitte beim Kontrollturm vorbei«, sagte er zu dem Fahrer, als sei ihm der Gedanke gerade eben gekommen. »Will mal sehen, ob meine Maschine schon gemeldet ist.«
    »Sorry, Sir«, erwiderte der Mann, der sich plötzlich darauf besann, mit welchen Befehlen er die Dienstpistole seines Offiziers erhalten hatte. »Ich habe Befehl, Sie sofort zur Adjutantur zu bringen.«
    »Na klar, da muß ich ja sowieso hin. Will nur erst mal fragen, ob die schon was von Aberdeen gehört haben.«
    »Tut mir leid, Sir, Befehl ist Befehl!«
    Die Sturheit des Mannes machte Werra stutzig. Warum hatte der Fahrer so genaue Instruktionen?
    »Gut, ist mir auch egal, ich dachte nur, wir könnten Zeit sparen«, sagte er gleichgültig, aber er merkte, wie seine Hände langsam eiskalt

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