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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Verdunkelungsrahmens verklemmt hatte, und beachtete die beiden Eintretenden zunächst gar nicht. Schließlich wandte er sich um, warf einen raschen Blick auf den ›Holländer‹ und sagte zu dem Fahrer: »Schalten Sie bitte das Licht aus!«
    Der erste Blick war eine Enttäuschung. Dieser kleine blondschöpfige Kerl sah weder wie ein Spion aus noch so, wie sich der Flying Officer Thomas I. Plant einen wilden Nazi vorgestellt hatte. Allerdings auch nicht wie ein Bomberpilot. Eher hätte man ihn für einen Jockey halten können, drahtig, behende und mit einem freundlich verschmitzten Lächeln auf seinem offenen Jungensgesicht.
    »Morning!« sagte Werra strahlend, tippte mit den Lederhandschuhen, die er in der rechten Hand trug, dahin, wo vorschriftsmäßig gekleidete Offiziere ihre Mütze trugen, und wollte auf den Engländer zugehen, um ihm die Hand zu geben. Aber der drehte sich rasch wieder um, hob die zweite Verdunkelungsblende umständlich aus ihrer Befestigung und sagte beiläufig über die Schulter: »Ah, Captain van Lott? Bin gleich fertig. Machen Sie sich's bequem.«
    Die ungewohnte Fliegerkombination des Holländers war das erste, was ihm aufgefallen war. Diesen graugrünen Overall mit dem diagonalen Reißverschluss von oben rechts nach unten links hatte er noch nie gesehen. Darunter trug der Mann einen karierten schottischen Wollschal. Schien ein merkwürdiger Vogel zu sein – na ja, er behauptete ja auch, aus Aberdeen in Schottland zu kommen. Die pelzgefütterten Stiefel schien er ebenfalls nicht von der Kleiderkasse der RAF bezogen zu haben. Immerhin, erstklassige Qualität, darauf verstand sich Plant beim ersten Hinsehen. Keine Mütze. Die hatte er wohl verloren.
    »Bißchen heiß hier, was?« sagte der Brite, während er, ohne aufzusehen, die Verdunkelungsblenden zwischen den Kleiderschrank und die Fensterbank schob. »Wollen Sie sich nicht ausziehen?«
    »Nee, danke schön, haben Sie eine Ahnung, wie ich heute nacht gefroren habe!«
    Werra hatte das harmlose Spiel des Engländers durchschaut. Er war schon stutzig geworden, als der Fahrer sich geweigert hatte, ihn beim Kontrollturm vorbeizufahren, und statt dessen darauf bestand, seinen Gast direkt beim Adjutanten abzuliefern. Und als ihm die überhitzte Luft des Adjutantenzimmers entgegenschlug, hatte er instinktiv nach dem Reißverschluss gegriffen, bis ihm plötzlich ein Licht aufging.
    Dieser ›Mister Boniface‹ war offenbar kein Dummkopf! Puh, was für eine Temperatur. Wie im Kesselraum eines Dampfschiffes! Das konnte kein Zufall sein. Aber wenn der Engländer glaubte, er würde einfach seine Kombination ausziehen, um dann plötzlich in einer deutschen Luftwaffenuniform dazustehen, von der lediglich die Rangabzeichen entfernt waren, dann irrte sich der Herr. So einfach linkshändig aufs Kreuz legen ließ er sich jedenfalls nicht.
    »Bitte, fühlen Sie sich wie zu Hause!« sagte der Tommy, der immer noch in der Ecke zwischen Schrank und Fenster herumfuhrwerkte.
    »Danke«, sagte Werra und sah sich im Zimmer um.
    Landkarten an den Wänden, darin mit grünen Schnüren abgesteckte Quadrate und Dreiecke, in denen Nadeln mit weißen und roten Köpfen staken. Eine große Tafel mit den Silhouetten deutscher Flugzeugtypen. Die Me 109, im Umriss, von der Seite, von vorn und von hinten gesehen, war das erste, was ihm auffiel. Daneben hing die gerahmte Gruppenaufnahme von britischen Fliegern vor einer ›Spitfire‹. Wahrscheinlich die Staffel dieses Offiziers, denn der Mann trug das Pilotenabzeichen, war also jedenfalls kein Bürohengst. Auf dem Tisch stand neben dem Kalender ein silberner Pokal, offenbar ein Preis von irgendeinem Flugwettbewerb. Das war alles.
    Er mußte jetzt sehen, daß er mit dem Engländer in ein vernünftiges Gespräch kam. Wer das Gespräch begann, hatte auch die Möglichkeit, das Gesetz des Handelns in die Hand zu bekommen. Aber bloß weit genug von diesem entsetzlich glühenden Ofen weg! Und dann mußte man herausfinden, was dieser Tommy eigentlich von einem dachte.
    »Tut mir leid«, sagte Werra mit seiner unbekümmerten Stimme, »daß ich Sie störe. Aber lange wird es ja nicht dauern, mein Geschwader ist schon verständigt.«
    Der Offizier vom Dienst hatte endlich die Verdunkelungsblenden weggestellt. Er schlug sich den Staub von den Händen und wollte hinter seinen Schreibtisch zurückgehen.
    Es war der Augenblick, auf den Franz von Werra gewartet hatte. Ganz unbefangen ging er auf den Engländer zu, weg vom Ofen, streckte ihm

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