Einer kam durch
aus! Ich möchte mir gern erstmal die Finger waschen. Da ist doch ein Waschraum gegenüber, habe ich gesehen. Übrigens …«, er lachte ein wenig, »die Polizei kam gerade, als wir in Codnor Park Tee tranken.«
Der Offizier nahm rasch das neue Gesprächsthema auf, denn ihm war plötzlich eingefallen, daß er zwar alle Türen auf dem Korridor abgeschlossen hatte, nicht aber die mit der Aufschrift ›Gentlemen‹ – da hatte der Schlüssel gefehlt.
»Was sagen Sie, die Polizei hat Sie noch gesehen? Mir erzählte der Schalterbeamte, die Polizei ließe sich nicht blicken.«
»Tat sie auch nicht, solange wir mit Ihnen sprachen. Aber unmittelbar nach Ihrem zweiten Anruf kam sie drei Mann hoch; zwei Kriminaler in Zivil, ein Landgendarm. Ich glaube, das ganze Aufgebot von Somercotes ist angerückt.«
»Und?«
»Na, sie waren nicht wenig ärgerlich, als sie merkten, wer ich war. Sagten dem Bahnbeamten, er solle nicht wieder blinden Alarm schlagen. Im übrigen drei reizende Kerle. Wollten mich unbedingt selbst nach Hucknall fahren.«
»Warum haben Sie es nicht angenommen?«
»Sie hatten schon angekündigt, daß der Wagen vom Flugplatz unterwegs sei, mich abzuholen. Das hätte nur ein Durcheinander gegeben.« Er lauschte einen Augenblick seinen Worten nach und fand, daß sie eigentlich ganz echt klangen. Und wie ein Postskriptum hängte er noch jenen Ausruf an, mit dem der Detektiv im Tweedmantel seine Taten als Bomberpilot gewürdigt hatte. »Grand types! – Tolle Burschen, diese Polizisten!«
Für den britischen Offizier wurde die Lage langsam misslich. Er hatte sich in seiner eigenen Falle gefangen. Dieser kleine Holländer schien feuerfest wie ein Salamander zu sein. Dem Engländer aber setzte die Hitze erheblich zu. Er überlegte kurz: Wenn die Polizei den Flieger tatsächlich verhört und in Ordnung befunden hatte, dann bestand für ihn ja eigentlich kein Grund mehr, sich übermäßig aufzuregen.
Andererseits – wer sagte ihm denn, daß in Codnor Park überhaupt ein Verhör stattgefunden hatte. Vielleicht war das ja nur ein neuer Trick in der Geschichte dieses mysteriösen Captain van Lott.
Franz von Werra benutzte die Gesprächspause, um ebenso fieberhaft über den weiteren Gang der Dinge nachzudenken. Er schwitzte heftig, aber er ließ es sich nicht anmerken. Auf einer Flucht hatte man selten die freie Wahl. Mal war es zu kalt, ein andermal zu warm. Immerhin – draußen auf dem Rollfeld standen drei ›Hurricanes‹! Er mußte so schnell wie möglich dorthin. Wenn er doch bloß eine Möglichkeit fände, dieses alberne Gespräch abzubrechen. Wer weiß, gleich begann der Dienst auf dem Fliegerhorst, dann kamen die Schreiber der Stabskommandantur, dann würde der Flugbetrieb beginnen – dann würde alles viel schwieriger sein.
Und da hatte auch der Engländer seinen Entschluß schon gefaßt. Was sollte er sich wegen dieses vom Himmel gefallenen Holländers eine unverdauliche Suppe einbrocken. Er würde, ehe er den Mann gehen ließ, einfach einen Rapport machen, eine saubere dienstliche Meldung mit allen Einzelheiten, damit er gegenüber seinen Vorgesetzten gedeckt war. Sollten sie dann sehen, was sie damit anfingen. Und im übrigen würde er den Flugplatz Dyce mal eben anrufen.
»Sie müssen den Papierkrieg entschuldigen«, sagte er lächelnd zu Werra gewandt, »aber ich muß Sie nun doch ein bißchen was fragen …«
»Bitte«, sagte Werra ungeduldig.
»Sie müssen ja heute nacht ein geradezu unwahrscheinliches Schwein gehabt haben. Am Telefon klang ihre Geschichte – verzeihen Sie – etwas verworren. Erzählen Sie doch noch einmal von Anfang an, was los war. Muß einen kleinen Bericht machen. Außerdem will ich gleich Ihre Einheit anrufen. Wie hieß sie noch?«
Er hatte sich hingesetzt und einen Bleistift in die Hand genommen, mit dem er nervös auf die Tischplatte klopfte, während er sich Mühe gab, sein Gegenüber gleichgültig freundlich anzusehen.
»Meine Einheit liegt in Dyce, Aberdeen. Ist das alles denn wirklich notwendig? Ich bin doch eigentlich nur hergekommen, um auf meine Maschine zu warten …«
»Sorry«, sagte der freundliche Offizier, »muß sein. Dienstvorschrift – Sie verstehen.« Er nahm den Hörer des Telefons ab. »Jedenfalls werden wir gleich wissen, wann Ihre Maschine eintrifft.«
»Hallo! Bitte geben Sie mir den Adjutanten von Dyce, Aberdeen. – Das ist ein Flugplatz. – Ja, Fräulein, Aberdeen liegt immer noch in Schottland. Hat sich nichts geändert.
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