Einer kam durch
wie bei uns, dachte Werra. Auch bei der anderen Maschine machte sich ein Monteur zu schaffen. Doch je näher Werra kam, desto verwunderter sah er auf die wuchtigen, geduckten Vögel, auf deren silbernem Gefieder die Morgensonne glänzte. Sie schienen ihm größer als alle ›Hurricanes‹, denen er je im Luftkampf begegnet war. Sicher doppelt so groß! Und dennoch, es waren ›Hurricanes‹, die leicht angewinkelten, tiefsitzenden Tragflächen ließen keinen Zweifel zu.
Wie merkwürdig aber – der Mechaniker trug zwar einen schwarzen Kittel, darunter jedoch eine Zivilhose, eine Ziviljacke und einen völlig unmilitärischen, gestreiften Schlips. Nun war der Oberleutnant von Werra weiß Gott kein Offizier, der den Krieg durch die Einhaltung der Bekleidungsvorschrift zu gewinnen hoffte. Er selbst hatte die meisten seiner Einsätze in einer roten Strickjacke geflogen, was ihm beim Bodenpersonal rasch den Spitznamen ›Roter Teufel‹ eingebracht hatte. Aber hier auf dem britischen Flugplatz, in diesem Augenblick, da alle seine Nerven zum Zerreißen gespannt waren, nahm er die Kleinigkeit wahr: ein Monteur in einer Zivilhose und mit einem gestreiften Schlips. Er wußte nicht, was er daraus machen sollte …
Der Monteur hatte nicht beobachtet, aus welcher Richtung der Flieger gekommen war. Plötzlich stand Werra vor ihm, klein, blond, mit einer zivilen Fliegerkombination, einem karierten schottischen Schal und einem Pflaster an der Schläfe.
»Morning, Sir«, sagte der Monteur überrascht.
»Good Morning!« antwortete Werra und steuerte direkt auf sein Ziel los. »Ich bin Captain van Lott, holländischer Pilot. Bin gerade nach Hucknall kommandiert worden, hab' noch keine Hurricane geflogen. Der Adjutant läßt Sie bitten, mir die Instrumente zu erklären, damit ich nachher einen Werkstattflug machen kann. Welche Maschine ist denn klar, diese hier?«
Er blickte dem Monteur treuherzig in die Augen, lächelte freundlich dabei, aber er sprach mit einer festen Stimme, die offenbar zu befehlen gewohnt war.
Der Engländer schüttelte den Kopf. »Ich glaube, Captain, Sie sind hier bei der falschen Adresse«, sagte er ohne jedes Misstrauen. »Das hier ist eine Privatfirma. Mit der RAF da drüben haben wir nichts zu tun.«
Werra sah fasziniert auf den gestreiften Schlips des Mannes, aber er konnte sich die Zusammenhänge immer noch nicht erklären. Wieso war das eine Privatfirma, wenn dies der Flugplatz Hucknall der Royal Air Force war? Aber zum Nachdenken war jetzt keine Zeit.
»Weiß schon«, sagte er und verbarg seine Verblüffung, »aber Mr. Boniface schickt mich, und ich habe wenig Zeit. Muß heute noch weiter.«
Der Monteur wunderte sich. Was sollte man mit einem Kerl machen, der solchen ausgemachten Blödsinn redete. Boniface hatte hier gar nichts zu befehlen, und wenn er etwa einen von seinen Flugschülern mit einer brandneuen ›Hurricane‹ fliegen lassen wollte, dann sollte er nur sehen, woher er eine bekam.
»Kalt heute, was?« setzte Werra hinzu und hatte keine Ahnung, wie nahe er in diesem Moment daran war, sich zu verraten. Und daß ausgerechnet der Name Boniface die Verwunderung des Monteurs erregte. »Ja«, sagte der Monteur, »verdammt kalt. Werkzeug friert einem an den Fingern fest.«
Er sah von seinem Platz auf der Tragfläche zu Werra herunter, der erwartungsvoll dastand und, sei es nun aus Nervosität oder wegen der Kälte, seine Hände mit den pelzgefütterten Lederhandschuhen gegeneinander schlug.
Auch dem Monteur war der fremde Akzent in Werras Englisch aufgefallen.
Schön, der Mann war Holländer, wenn er ihn recht verstanden hatte. Aber dieser Mechaniker, Edward Crossfield mit Namen, war denn doch der erste Mensch, dem noch etwas anderes an dem Captain William van Lott merkwürdig vorkam. Es wurde ihm nämlich sofort klar, daß es den Rang eines ›Captain‹ in der Royal Air Force überhaupt nicht gab. Und Edward Crossfield sollte bis zuletzt der einzige Mensch bleiben, der darauf kam.
Nur – was dem Franz von Werra bei den Militärfliegern zum Verhängnis hätte werden müssen, wenn es auch nur einem unter ihnen aufgestoßen wäre, das wurde hier zu seiner Rettung.
Denn dem Monteur war inzwischen eingefallen, daß der Bursche offenbar ein Ferry-Pilot war, einer von den Zivilfliegern, die vom Transportkommando der RAF mit der Überführung frontreifer Maschinen zu den Einsatzstaffeln beschäftigt wurden. Seitdem es in England an ausgebildetem Flugpersonal zu mangeln begann, fand man
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