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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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würde eine Platzrunde fliegen, ein wenig zum Abschied wackeln und dann nach Süden, auf und davon!
    Hoppla, da hätte er beinahe einen Arbeiter umgerannt, der eben einen Zementsack mit dem Spaten aufschnitt. In seinem Eifer war er in ein Baugelände geraten, wo offenbar die Fundamente für eine neue Halle gelegt wurden. Die wenigen Bauleute sahen von ihrer Arbeit auf, wunderten sich über den drahtigen blonden Jungen, der ohne Mütze, in einer verrückten Fliegerkombination, einen Schottenschal um den Hals, wie eine dampfende Pellkartoffel auf sie losgeschossen kam.
    »Heeij«, rief der Zementarbeiter, »du hast wohl eine Rakete im Hintern, was?«
    »Sorry«, gab Werra im Laufen zurück, »ich hab's eilig, sonst kriege ich einen Anschiss vom Alten!«
    Der Arbeiter wurde bei seiner Vernehmung später gefragt, ob er denn an der Aussprache nicht gemerkt habe, daß der Kerl kein Engländer gewesen sei. »Natürlich« gab er zur Antwort, »aber ich hab ihn für einen von diesen Polen gehalten – da soll sich nun einer auskennen … schließlich hat er ja keine ›Swastika‹ { * } vor der Brust gehabt!«
    Während Werra nun schnurstracks auf die vor dem Hangar stehenden Maschinen zurannte, fiel ihm ein, daß er möglicherweise Verdacht erregen würde, weil er keine Mütze trug. Und wenn er sich in die Maschine setzen wollte – wer weiß, vielleicht war ja irgendein Mechaniker oder Bordwart dabei, dem er etwas von einem Werkstattflug erzählen mußte … wenn der ihm dann eine Fliegerhaube geben wollte, und die Haube paßte nicht für seinen Kopf – dann würde am Ende noch kostbare Zeit vergehen …
    Er griff in die linke Knietasche seiner Kombination. Da steckte ein Heftpflasterverband, den er sich noch im Lager ›Swanwick‹ organisiert hatte, als er sich beim Tunnelbau an dem unterirdischen Stacheldraht den Arm aufgeritzt hatte und in die Sanitätsstube gegangen war, um sich Jod daraufpinseln zu lassen. Während er dem Sanitäter erzählte, daß er sich beim Sport verletzt habe, ließ er zwei solche Verbandspäckchen verschwinden – für alle Fälle. Das eine war verbraucht worden, um den Schlauch der Pumpe zu reparieren, mit der sie die Luftzufuhr in ihrem Stollen bewerkstelligt hatten, das andere hatte er später mitgenommen – man kann ja nie wissen, wozu man so was noch mal braucht. Jetzt klebte er den Verband, das Heftpflaster mit dem Mullkissen, auf die rechte Schläfe, etwas oberhalb der Augenbraue, jedenfalls so, daß ihm weder eine Mütze noch eine Fliegerhaube passen würde.
    Der Hangar mit den Maschinen davor war noch etwa zweihundert Meter entfernt. Neben einem der Flugzeuge war eine dunkle Gestalt auszumachen, die gerade von einer Art Elektrokarren absprang. Und der Karren zog … tatsächlich, das konnte nur ein Anlasser-Aggregat sein …
     … und das bedeutete, daß die Maschine startklar gemacht wurde. Werras Herz tat einen kleinen Freudensprung.
    Und er hatte auch allen Grund, sich zu freuen, wenngleich er gar nicht ahnen konnte, daß er soeben das schwerste Hindernis auf seinem Weg passiert hatte, ohne überhaupt Notiz davon zu nehmen.
    Durch das Baugelände war er nämlich in jenen Bezirk des Flugplatzes Hucknall geraten, der nicht mehr im Befehlsbereich der Royal Air Force lag. Hier hatten die Rolls-Royce-Motorenwerke einen ihrer Betriebe, auf diesem Gelände wurden Maschinen für die Front überholt und neu montiert, und hier war auch eines der Geheimzentren der britischen Flugzeugindustrie: hier in den Erprobungswerkstätten wurden die neuen Motorentypen geprüft, Flugzeugmuster wurden eingeflogen – zum Beispiel ein neues und noch streng geheimes Modell der ›Hurricane Mark II‹. Kein Wunder, daß dieses Gelände vom übrigen Flugplatz und seinen Anlagen scharf getrennt wurde, es war ›off limits‹ auch für die Militärflieger von Hucknall, dafür sorgten Werkpolizei und MP gemeinsam, und selbst der Kommandeur von Hucknall, Group Captain Hughes-Chamberlain, durfte ohne Sonderausweis das Heiligtum der Rolls-Royce-Werke nicht betreten.
    Werra war hineingeraten, ohne von alledem etwas zu wissen. Immerhin wollte er in Sicht des Hangars nicht wie ein Wahnsinniger rennen, also verlangsamte er sein Tempo und ging in gespielter Gleichgültigkeit weiter. Noch schlug sein Herz wie rasend von der Anstrengung des Marathonlaufs und in der Erwartung des Kommenden.
    Der Mechaniker, der auf der linken Tragfläche der ersten Maschine stand, hatte eine schwarze Drillichjacke an – genau

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