Einer kam durch
scheußlich am Rücken, die kalte Morgenluft strich durch seine schweißfeuchten Haare. Er zerrte an seinem Kragen und blickte sich um. Da fuhr ein Mann mit einem kleinen Benzinwagen vorbei. Musterte er ihn nicht argwöhnisch? Drüben begannen die Mechaniker einen zweimotorigen Bomber aus der Halle zu ziehen. Sie blieben stehen. Sahen sie nicht zu ihm herüber? War der Monteur am Ende nur weggegangen, um ein paar Werkpolizisten zu holen?
Aus dem Hangar kamen vertraute Geräusche: das Hämmern auf Blech, das Summen einer Bohrmaschine, das klirrende Gepolter einer Rohrzange, die von einer Leiter auf den Zementboden gefallen war. Dazwischen riefen sich die Monteure etwas zu, einer pfiff den ›Tiger Rag‹. Alles war wie zu Hause.
Er riß sich zusammen. Nur jetzt um Himmels willen nicht schwach werden! Nicht daran denken, was noch alles passieren könnte. In fünf Minuten konnte er ein toter Mann sein – oder ein freier Mann in der freien Luft.
Einen Augenblick kam er in Versuchung, einfach in die Maschine zu springen und zu probieren, ob der Motor sich durchstarten ließe. Er duckte sich schon, seine Hand tastete nach dem Rand der Kanzel …
Nein! Nicht alles auf diese verzweifelte Karte setzen! Nervös ballte er die Fäuste und wartete …
Plötzlich sah er von der anderen Halle her den Mechaniker mit einem Mann im Khakikittel auf die Maschine zukommen. Offenbar war das der Boss. Ein älterer, freundlicher Mann. Die beiden beeilten sich durchaus nicht, sie schienen sich eine belanglose Geschichte zu erzählen. Gelber Kittel und schwarzer Kittel wehten gleichmäßig bei jedem Schritt. Werra zog ein paar Grimassen, um das von der Kälte erstarrte Gesicht zu entspannen. Dann blickte er den beiden entgegen, ohne sich zu rühren.
Der Mann im Khakikittel lächelte vergnügt, als er Werra sah. »Good morning, Captain«, sagte er. »Ich höre, Sie wollen eine unserer neuen Hurricanes abholen?« Werra lauschte aufmerksam auf den Ton. Nichts in der Stimme verriet, daß der andere mißtrauisch war. »Kommen Sie doch bitte eben in mein Büro, damit wir den Papierkram erledigen können.«
»Dauert das lange? Ich hätte mir die Kiste ganz gern erst mal angesehen.« Werra klopfte nachlässig gegen das Blech der ›Hurricane‹. »Bin jetzt nämlich ein bißchen in Zeitdruck, weil ich gleich noch mal zum Adjutanten muß – und starten kann ich sowieso erst gegen Mittag, da ist dann ja noch viel Zeit für den Papierkrieg …«
Aber der Mann ging auf diesen Vorschlag nicht ein. »Nee, nee, Captain, das geht nicht. Erst eintragen. Sonst schlägt unsere Werkpolizei Krach. Alles der Reihe nach. Dauert nicht lange. Und dann zeigen wir Ihnen, was Sie sehen wollen …«
Werra konnte nichts tun, als mitzugehen. Durch die Flugzeughalle hindurch bis ganz nach hinten, wo eine kleine Tür auf einen asphaltierten Hof führte.
Über den Hof an der Rückfront der anderen Halle entlang zu einer Glaskabine, in der ein Mann in blauer Uniform saß. Offensichtlich der Werkpolizist.
Der Chefmonteur trat ein und sprach mit dem Polizisten.
Was sie sprachen, konnte Werra nicht verstehen. Aber er sah die Uhr mit dem weißen Zifferblatt, die über dem Tisch des Polizisten an der Wand hing. Ihr großer, dünner Sekundenzeiger wanderte ruhelos um die weiße Scheibe. Werra blickte weg, und als er von neuem hinsah, hatte der Zeiger schon wieder eine Minute hinter sich gebracht. Er versuchte es mit Zählen … ein-und-zwanzig, zwei-und- … doch die Sekunden rannten ihm einfach davon. Davon – nein, sie stürmten auf ihn zu, viele einzelne, sechzig in der Minute, und jede tickte wie der Sicherungsflügel einer Polizeipistole …
Ihm wurde schwindlig, er lehnte sich einen Augenblick an die Glaswand und schloß die Augen – aber vor dem rotsamtenen Dunkel in seinem Kopf drehte sich der dünne Zeiger weiter, und mit jedem nervösen Sprung von Teilstrich zu Teilstrich schnitt er ein wenig von der Zeit ab, die ihm noch blieb. Was mochte Mister Boniface in dieser Sekunde tun?
Worüber sprachen die beiden in dem Glaskasten nur so lange? Warum beeilten sie sich nicht ein bißchen? Jedermann hier schien entsetzlich viel Zeit zu haben. Er sah, wie der Polizist rauchte. Mit feuchten, unsicheren Händen kramte er in den Taschen seiner Fliegerkombination, holte Zigaretten und Streichhölzer heraus. Sein Blick fiel auf die Uhr. Schon wieder eine Minute verstrichen.
Endlich traten die Männer aus der Kabine heraus. Werra wurde sofort hellwach. Er
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