Einer kam durch
Tisch, riß die Pistole aus der Tasche und startete wie ein Hundertmeterläufer …
***
Franz von Werra saß im Cockpit der Hurricane und versuchte die Erklärungen des englischen Mechanikers zu verstehen. Der Mann sprach ihm zu rasch, außerdem gebrauchte er zu viele unbekannte Fachausdrücke für fremdartige Instrumente.
Werra war einfach zu nervös für diesen Vortrag. Was war denn überhaupt das Wichtigste?
Der Kompass. Aber was war das für ein merkwürdiger Kompass – völlig anders als bei der Me 109. Um von den Midlands auf dem kürzesten Weg den Kanal zu erreichen, mußte Werra genau 120 Grad fliegen. Kurs Ostsüdost. Das hatte er schon in Swanwick ausgerechnet.
»Stellen Sie bitte den Kompass auf 120 Grad ein.«
Der Monteur tat es, die Richtung stimmte trotzdem nicht. Verflucht, was ging ihn der Kompass an? Er würde nach Schnauze fliegen. Sonne backbord voraus gab um neun Uhr auch einen Kurs von 120 Grad.
Der Steuerknüppel faßte sich fremd an. Zu lang für Werras Geschmack. Aber daran würde er sich gewöhnen. Hauptsache, er stellte die Maschine beim Start nicht auf den Kopf.
Die hydraulischen Bremsen, unbekanntes System. Man müßte es beim Rollen mal ausprobieren. Nur keinen Bruch beim Start machen!
Alles andere würde sich zeigen.
Der Starter und die Einspritzpumpe. Das war das Wichtigste. Wenn er jetzt auf den Starter drückte, was würde dann passieren? Das Öl im Motor mußte steif sein bei dieser Kälte. Würde die Maschine trotzdem anspringen? Und wenn sie es tat, was dann? Dann mußte er um die ganze Außenbahn rollen, damit der Motor warm wurde, und wenn er das Gefühl hatte, daß die Mühle richtig lief, dann nichts wie weg.
Vor ihm streckte sich das Land weit aus, ein leichter Kälterauch lag über ihm, darüber stand golden und rot die Sonne in einem fahlen, blaßblauen Winterhimmel. Flugwetter! Er holte tief Luft. Flach über England weg zum Kanal, flach über den Kanal weg nach Frankreich, dort eine Bauchlandung bauen, bevor die Flak zu ballern anfing. Nur die kleinen Zweizentimeter-Kanonen konnten gefährlich werden und vielleicht die überschweren MGs an der Küste. Achtacht und Zehnfünf waren zu schwerfällig, um einen Jäger zu treffen. Sie konnten die Rohre nicht so schnell schwenken, wie ein tieffliegender Jäger im Visier des Richtkanoniers auswanderte. Aber die Kleinen, vor denen würde er sich vorsehen müssen. Sein Finger zuckte nach dem Starterknopf. Seine Gedanken beschworen die Batterie. Wenn sie es nur schaffte!
Er startete durch, ehe der Monteur begriff, was der Pilot da machte.
»Rrrrr … Rrrrr!« Die Luftschraube drehte sich zweimal und blieb stehen. Was war los? Warum hatte kein Zylinder gespuckt?
Der Mann war entsetzt.
»Um Gottes willen, Captain, tun Sie das nicht! Sie machen die Batterie kaputt. Ohne Aggregat können Sie noch nicht starten!«
»Dann holen Sie ein Aggregat!«
»Geht nicht«, sagte der Mann trocken und ein wenig verärgert, weil Werra ihn mitten in seinem Vortrag gestört hatte. »Wird gerade gebraucht! Also dieser Gyro ist völlig neu, er funktioniert …«
Werra biss sich auf die Lippen. Es konnte sich jetzt wirklich nur noch um Minuten handeln. Er mußte ein Aggregat zum Anlassen der Maschine haben. Er mußte es haben. Und er brauchte es sofort – jetzt, in diesem Augenblick!
Aber dem Zivilmonteur mit dem gestreiften Schlips konnte er keinen militärischen Befehl geben. Dem konnte er mit einem solchen Befehl bestenfalls allen guten Willen austreiben. Er würde bockig werden und erst recht nicht tun, was er von ihm verlangte.
»Ach bitte«, sagte Werra, »holen Sie das Aggregat – ich möchte einmal hören, wie der Motor klingt, wenn er läuft!«
Der englische Monteur blickte dem Captain einen Moment verdutzt in die Augen – sah das schmunzelnde Jungengesicht, begann selber zu grinsen. »Na, schön«, sagte er. »Will mal sehen, daß ich irgendwo ein Aggregat auftreibe.«
Die Maschine wippte ein wenig, als er von der Tragfläche stieg.
Franz von Werra ließ seinen Blick über den Militärflugplatz Hucknall schweifen. Von dort drüben mußte die Gefahr kommen. Wenn ihn jemand hier vermutete, dann würde bald eine Meute von Bewaffneten an den Hangars vorbeistürmen. Noch war nichts zu sehen! Er senkte den Kopf und betrachtete wieder das Instrumentenbrett. Ihm war zumute, als habe er bisher einen kleinen Zweitakter gefahren und sitze auf einmal in einem amerikanischen Cadillac. Viel zuviel Instrumente für seinen
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