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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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sein können.
    Die polnischen Soldaten waren sogleich verschwunden. Die beiden Offiziere sprachen ein paar Worte miteinander, das Englisch des Polen hatte zwar einen leichten Akzent, aber er bildete die Sätze, wie sie korrekter nicht hätten in Oxford gesprochen werden können. Irgendwie hatte Werra Zutrauen zu diesem polnischen Major.
    »Sie haben Landeverbot ansagen lassen?« fragte der Pole den Engländer.
    Flying Officer Plant sprach bewußt leise, und Werra verstand nur Bruchstücke seiner Antwort, aber er konnte sich den Sinn nicht zusammenreimen, denn da war von ›Invasion‹ die Rede, von irgendwelchen Konstruktionszeichnungen, er hörte etwas von ›top secret‹ – aber was hatten streng geheime Zeichnungen und was hatte die Gefahr einer deutschen Invasion mit ihm, Franz von Werra, zu tun?
    Plötzlich hörte er das Wort ›Saboteur‹.
    Werra erschrak bis ins Mark, dieses Missverständnis konnte ihm den Kopf kosten.
    »Beg pardon, Sir …« wandte er im Gehen den Kopf, »ich …«
    »Halten Sie den Mund, Sie werden schon rechtzeitig gefragt werden!« fuhr ihm der polnische Offizier ins Wort.
    Er hatte es auf Deutsch gesagt, und er fügte noch etwas hinzu: »Wenn Sie auch nur den geringsten Versuch des Widerstandes machen, werden Sie auf der Stelle erschossen. Mit Leuten von der ›Fünften Kolonne‹ machen wir kurzen Prozess!«
    Werras Fingernägel bohrten sich in das Fleisch seiner Handballen. Herrgott, es konnte doch einfach nicht sein, daß diese Leute in Hucknall noch keine Ahnung von der Flucht in Swanwick hatten – die Polizei in Codnor hatte doch auch davon gewußt.
    Und dann schrie er es einfach heraus: »Ich bin Kriegsgefangener, ich bin aus Swanwick entflohen … ich stelle mich unter den Schutz der Genfer Konvention!«
    »Wir werden sehen, wer Sie sind!« sagte der Pole unbeeindruckt.
    Na gut, beruhigte Werra sich. Ich werde denen schon beweisen, daß ich kein Saboteur und kein Mann von der fünften Kolonne bin. Aber was er nicht wußte und was ihm aufs neue den Angstschweiß auf die Stirn getrieben hätte, wenn ihm auch nur der Gedanke daran hätte kommen können, das war etwas viel Entscheidenderes:
    Die Hurricane, in der er noch vor wenigen Minuten gesessen hatte, war kein Jagdflugzeug wie hundert andere. Es war ein so genannter Prototyp, das streng geheim gehaltene Muster einer Neukonstruktion mit der Typenbezeichnung ›Hurricane Mark II‹. Während nämlich die britische Spitfire zu dieser Zeit der deutschen Messerschmitt an Steigfähigkeit und Wendigkeit leicht überlegen war, hatte die gebräuchliche Hurricane gegen die letzte Weiterentwicklung der Me 109 keine rechten Chancen mehr. Nun wollten die Briten den entscheidenden Schritt tun, die Hurricane Mark II war ihre große Hoffnung gegen die deutsche Invasion, die ohne massierte Luftangriffe gegen die gesamte britische Küste nicht möglich sein würde. Wenn es gelänge, diesen neuen Jagdeinsitzer rechtzeitig in die Serienproduktion zu nehmen, dann würde es mit der deutschen Luftüberlegenheit über der Insel bald zu Ende sein. Es war ein Wettlauf mit der Zeit.
    Und das Geheimnis dieser Maschine wurde so streng gehütet, daß es keinem Piloten der RAF erlaubt gewesen wäre, bis zu ihr vorzudringen, nicht einmal dem Kommandeur der Fliegerschule Hucknall. Um aber kein unnötiges Aufsehen zu erregen und die Anwesenheit dieses Flugzeugmusters in Hucknall gar nicht bekannt werden zu lassen, hatte die Leitung der Rolls-Royce-Werke keinerlei Anweisung erlassen, die das Flugzeug selbst auch nur erwähnte, sondern lediglich die Absperrung ihres Geländes gegen die übrigen Teile des Flugplatzes verschärft. Daher kam es, daß der Oberleutnant Thomas Plant bei der Verfolgung Werras so lange durch die Torwache aufgehalten worden war – und daher kam es andererseits, daß weder der Chefmonteur dieser Werkstätte noch der Werkpolizist und nicht einmal der Mechaniker Edward Crossfield wußten, daß nichts anderes als eben dieses Flugzeug die einzige Ursache der verschärften Sicherheitsbestimmungen war. Deshalb hatten sie sich denn auch nichts dabei gedacht, als ein holländischer Ferry-Pilot sich für einen Werkstattflug mit dieser Maschine anmeldete. Hätten sie freilich Mr. Dorey gefragt, den Generalmanager ihres Betriebes, dann wäre ihnen ein heiliges Donnerwetter sicher gewesen, und Mr. Dorey hätte sie gewiß angewiesen, die wöchentlichen Anweisungen genauer zu lesen: in der letzten hatte nämlich gestanden, daß für die

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