Einer kam durch
andere Offiziere hereingekommen, britische Flieger, die gehört hatten, daß der feindliche Saboteur, der den ganzen Alarm verursacht hatte, in der Adjutantur zu besichtigen sei. Sie alle waren gespannt, einen teutonischen Supermann zu sehen, einen wilden Nazi, der allein ausgezogen war, um britische Fliegerhorste in die Luft zu sprengen. Sie fanden einen kleinen Kerl, anzuschauen wie ein Jockey, mit einem offenen Jungengesicht unter schweißverklebten blonden Haaren, der vor dem Schreibtisch des Adjutanten saß und eine ›Navy Cut‹ rauchte.
Commander Boniface hatte nichts dagegen, daß sie mit Werra ein Gespräch anfingen, sie fragten ihn, wie er es gemacht habe, aus Swanwick auszukneifen. Und Werra, dem der kameradschaftliche Ton die Zunge löste, erzählte von dem Tunnel und von Leutnant Gipsbeins Gesangverein, von Sam Eaton und von den Kriminalbeamten in Codnor Park; und als er auf das Telefongespräch mit ›Mister Boniface‹ zu sprechen kam und dabei den Offizier vom Dienst Thomas Plant ansah, als wolle er ihn um Entschuldigung bitten für alle die Ungelegenheiten, die er ihm gebracht hatte, da sahen sich der echte und der falsche ›Mister Boniface‹ an und mußten gemeinsam lachen, und in dem Lachen löste sich endlich auch die Beklommenheit des Flying Officers Thomas Ivanhoe Plant, der immer noch gefürchtet hatte, man würde ihn als Offizier vom Dienst für diese fürchterliche Blamage verantwortlich machen. Und dann erzählten sie die Geschichte ihres Zusammentreffens mit verteilten Rollen, das vertrackte Telefongespräch mit dem Flugplatz Dyce bei Aberdeen und die Geschichte mit der Erkennungsmarke, die zu einem Klumpen verharzter Pappe zusammengeschmolzen war, und nun öffnete Werra den Reißverschluss seiner Kombination von oben rechts nach unten links, knöpfte sein Luftwaffenhemd auf, fuhr mit der Hand in den Ausschnitt seines Unterhemdes und förderte das Ding zutage, das einmal die vollkommenste Fälschung einer britischen Erkennungsmarke gewesen war. Ein brüllendes Gelächter erschütterte den Raum.
Es war wie ein Rausch. Die ungeheure Spannung der letzten Stunden war mit einem Schlage gewichen. Gewiß, er war nun wieder ein Gefangener. Aber was tat's – aufgeschoben war nicht aufgehoben! Die Geschichte mit dem Saboteur war ihm doch zu sehr in die Knochen gefahren, als daß er sich jetzt nicht erleichtert gefühlt hätte.
»Zu wie vielen sind Sie denn ausgebrochen, Sie haben den Tunnel doch nicht allein gegraben?« fragte Boniface.
Werra reagierte sofort. Er wußte nicht, daß Cramer und Manhart inzwischen gefaßt worden waren. »Wieso?« fragte er langsam und überlegt, »natürlich haben mir ein paar Kameraden geholfen, aber ausgerissen bin ich allein!«
»Dann hatten Sie wohl etwas vergessen«, schmunzelte Boniface und kniff dabei das rechte Auge zu, »aber der Mann, der es Ihnen nachtragen sollte, ist nicht weit damit gekommen. Den hat ein Dorfpolizist mit seinem Umhang gefangen – wissen Sie, so wie man Schmetterlinge einfängt.« Und er machte mit beiden Händen eine ausholende Bewegung, als würfe er ein unsichtbares Netz über den verständnislos dreinblickenden Werra.
Eine neue Lachsalve folgte den Worten des Wing Commanders. Nur der polnische Major sah wie geistesabwesend zum Fenster hinaus, als ginge ihn die ganze Geschichte nichts an. Wer aber einen Blick in die schmalen hellgrauen Augen des Polen hätte tun können, dem wäre darin eine gewisse Abwehr gegen die lärmende Szene nicht verborgen geblieben; ja, es war, als habe der Schatten einer tiefen Enttäuschung das Licht dieser Augen plötzlich verdunkelt.
Diese Enttäuschung war freilich von ganz anderer Art als die des Mr. Dorey, des Generalmanagers der Flugzeugwerkstätten, der durch die Nachricht von dem vermeintlichen Saboteur bei seinem Frühstück aufgeschreckt worden war. Zuerst hatte er vor lauter Aufregung den Zündschlüssel seines Wagens nicht finden können, und als ihm dann der Werkmeister und sein Mechaniker Crossfield berichteten, wie es in letzter Sekunde und nur durch das Eingreifen der Air Force gelungen sei, einen offenbar feindlichen Agenten daran zu hindern, mit dem allergeheimsten Flugzeugmodell Großbritanniens das Weite zu suchen, da drohten ihm seine Beine den Dienst zu versagen, und er mußte sich gegen den Rumpf der Maschine lehnen, die nur durch einen puren Zufall noch an ihrem Platze stand. Durch einen Zufall? Nun, jedenfalls war sie nicht durch sein Verdienst oder durch die Wachsamkeit
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