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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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seiner Leute gerettet worden, sondern ausgerechnet von diesen Militärfliegern, deren gesellschaftliche Zurückhaltung er sowieso bei jeder Gelegenheit zu spüren bekam.
    Der Weg zum Stabsgebäude wurde für ihn zu einem Gang nach Canossa. Er konnte sich das spöttische Gesicht, mit dem der Kommandeur ihn begrüßen würde, genau vorstellen – wahrscheinlich würden auch die Beamten von der Spionageabwehr schon versammelt sein, und gewiß war bereits ein Fernschreiben an die Generaldirektion der Rolls-Royce-Werke unterwegs.
    Statt dessen stieß er im Eingang mit einer Ordonnanz zusammen, die gerade ein riesiges Tablett mit einer dampfenden Portion Rührei, mit Toast, Marmelade und Kaffee hineintrug.
    »Na, Mr. Dorey«, sagte der Soldat mit einem Anflug von Leutseligkeit in der Stimme, »wollen Sie sich unsern ›Jerry‹ auch mal ansehen? Muß ein toller Bursche sein, was?« Im gleichen Augenblick hallte das Gelächter aus dem Adjutantenzimmer über den Korridor.
    Der Manager gewann ein gut Teil von seinem Selbstvertrauen zurück – wenn es bei der Sache noch etwas zu lachen gab, dann konnten die nächsten Minuten ja nicht allzu schlimm werden. Für alle Fälle ließ er dem Mann mit dem Tablett den Vortritt.
    Es ging ihm nicht anders als dem Oberleutnant von Werra und dem Flying Officer Plant: das joviale Grinsen, mit dem Wing Commander Boniface den Eintretenden ansah, löste im Nu alle seine Befürchtungen auf; und als er dann erfuhr, mit welcher verblüffenden Sicherheit der Deutsche auch den Offizier vom Dienst hineingelegt hatte, da überkam ihn sogar ein wohltuendes Gefühl der Überlegenheit über diese Militärs, und er dachte bei sich, daß ihm solcher Reinfall nicht hätte passieren können. Schließlich verstieg er sich noch zu der Ansicht, es sei nun zwar Gott sei Dank alles noch eben gut gegangen, aber eigentlich hätte man es als Sportsmann diesem Teufelskerl ja gönnen müssen, wenn sein Plan gelungen wäre.
    »Nun aber Schluß!« schnitt ihm Boniface das Wort ab, und das gutmütige Schmunzeln verschwand aus seinem Gesicht, »schließlich ist ja der Krieg kein Fußballspiel – und meinen Sie etwa, ich hätte Lust, wegen Missachtung der Sicherheitsbestimmungen mit Ihnen zusammen in einer Zelle zu sitzen?«
    Das humoristische Zwischenspiel war beendet, und während Werra mit Heißhunger sein Frühstück verzehrte, verschwanden die Besucher einer nach dem anderen aus der Adjutantur. Nur der polnische Offizier und Oberleutnant Plant blieben zurück.
    »Sagten Sie nicht, daß Sie nach Nottingham fahren wollten, Major?« wandte sich Wing Commander Boniface an den Polen.
    »Wie wäre es, wenn Sie den Mann gleich mitnehmen würden zum CID?«
    »Yes, Sir!«
    »Ich gebe Ihnen einen Unteroffizier als Wache mit.«
    »Ich brauche keine Wache, Sir, ich habe meine Pistole«, sagte der Pole kühl.
    ***
    Der Gefangene saß rechts neben dem polnischen Offizier auf dem Rücksitz des gleichen Wagens, mit dem er vor nicht viel mehr als zwei Stunden von Codnor Park nach Hucknall gekommen war. Bevor sie losgefahren waren, hatte der Fahrer die rechte Wagentür von außen verschlossen; Werra war es so vorgekommen, als habe der Major über diese Sicherheitsmaßnahme ein gewisses Lächeln gezeigt, aber bei diesem Gesicht wußte man nicht, was es wirklich zu bedeuten hatte, ein Zug von Bitterkeit verschwand nie ganz daraus.
    Sie waren über Feldwege und Seitenstraßen gefahren, an Siedlungshäusern vorbei und zwischen Gärten, denen der Raureif ein verzaubertes Aussehen verlieh. Nun mußten sie wohl auf der Hauptstraße sein, der Verkehr hatte zugenommen, sie überholten Lastwagen und Pferdefuhrwerke, meist waren es Militärfahrzeuge, einmal auch eine bespannte Kolonne, deren eckige Kastenwagen Werra an Bilder aus dem ersten Weltkrieg erinnerten, die er als Junge in einem Album seines Adoptivvaters in Beuron gesehen hatte. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen führte die Straße nach Süden.
    Der polnische Major schien mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, er hatte noch kein Wort gesprochen, er hielt die Arme verschränkt, und sein Blick war geradeaus auf die Straße gerichtet.
    »Ich glaube, ich muß mich bei Ihnen bedanken …« sagte Werra.
    Der Major schwieg. Ein paar Minuten vergingen wieder.
    »Sie haben mir das Leben gerettet«, begann Werra wieder. »Wenn Sie nicht dazwischengekommen wären … ich meine, die Soldaten … vielleicht hätten sie mich umgebracht.«
    »So, meinen Sie?« sagte der Major. Er sagte

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