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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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den dort gebotenen sexuellen Akten frönten und infolgedessen erpresst wurden?«
    Erneut stand Rathbone auf. »Mylord, Mr Winchester wiederholt nur Aussagen, die wir längst gehört haben.«
    Der Richter seufzte. »Mr Winchester, zielt all das auf einen bestimmten Zweck ab?«
    »Ja, Mylord: Ich beabsichtige, Mr Ballingers Aufrichtigkeit ernsthaft in Zweifel zu ziehen, insbesondere in Hinblick auf den letzten Punkt.«
    »Wozu?«, fragte Rathbone. »Er hat gesagt, dass er keinen dieser Männer kennt. Keiner von uns weiß, welche Schwächen oder Laster andere Menschen haben könnten, und Gott sei Dank geht uns das meist auch nichts an. Es könnten Männer sein, die Sie kennen! Oder die jeder von uns kennt.« Er breitete die Arme weit aus, eine Geste, die den ganzen Saal umfasste, die Geschworenen, die Zuschauerränge, den Richter. »Und da das Gericht nicht weiß, wer sie sind, ist sein Unterfangen müßig.«
    Der Richter nickte. »Sir Oliver hat recht. Fahren Sie fort, Mr Winchester, wenn Sie noch irgendetwas anderes haben, zu dem Sie Mr Ballinger befragen möchten. Ansonsten lassen Sie uns die Angelegenheit den Geschworenen anheimstellen.«
    »Aber wir wissen sehr wohl, wer diese Männer sind, Mylord«, erklärte Winchester deutlich. »Zumindest ich weiß es.«
    Plötzlich herrschte Totenstille. Niemand rührte sich. Nicht einmal ein Hüsteln war zu hören.
    Schließlich fand der Richter seine Stimme wieder. »Wie bitte?«
    »Ich weiß, wer sie sind«, wiederholte Winchester, jedes einzelne Wort betonend.
    Rathbone brach der Schweiß aus allen Poren, und ohne zu wissen, warum, spürte er irgendwo in seinem Inneren eine namenlose Angst. Fassungslos starrte er Winchester an.
    »War Ihnen das bekannt, Sir Oliver?«, fragte der Richter.
    »Nein, Mylord.« Rathbone schluckte trocken. »Ich zweifle den Wahrheitsgehalt an und würde gern wissen, warum Mr Winchester nicht schon eher davon gesprochen hat.«
    »Ich habe erst dieses Wochenende die Informationen erhalten, Mylord«, erklärte Winchester, an den Richter gewandt.
    »Und wer hat Ihnen diese Informationen gegeben?«, wollte der Richter wissen.
    Rathbone kannte die Antwort, noch bevor sie ausgesprochen wurde.
    »Mr Rupert Cardew, Mylord«, fuhr Winchester fort. »Im Namen der Gerechtigkeit hat er mir eine …«
    Rathbone erhob sich taumelnd. »Wie kann das im Namen der Gerechtigkeit sein?«, rief er. »Es hat nichts mit diesem Fall zu tun, außer dass sich damit möglicherweise belegen lässt, dass eine ganze Reihe von Männern gute Gründe gehabt haben könnte, sich Mr Parfitts Tod zu wünschen. Und wer kann schon bestätigen, dass diese Liste korrekt ist? Sie könnte gut und gerne der Fantasie eines Mannes entsprungen sein, dem an einem Schuldspruch gegen Mr Ballinger gelegen ist, um jeden Verdacht gegen ihn selbst zu entkräften!«
    »Er wird die Namen unter Eid bestätigen, falls nötig«, entgegnete Winchester. »Und bei sorgfältigem Vorgehen müsste es möglich sein zu beweisen, dass sie alle das Boot hin und wieder, die meisten aber ziemlich regelmäßig, besucht haben.«
    »Eine langwierige und zähe Angelegenheit«, konterte Rathbone. »Und für den vorliegenden Fall völlig irrelevant, Mylord!«
    »Ganz und gar nicht irrelevant, Mylord«, widersprach Winchester. »Ich erwähne es, um Mr Ballingers Unschuld diesbezüglich in erhebliche Zweifel zu ziehen. Sir Oliver hat mir mit seiner eigenen Vernehmung den Weg geebnet, als er den Zeugen nach seinem Wissen über das Boot fragte und Mr Ballinger antwortete, er wüsste überhaupt nichts über die Geschäfte an Bord und würde keinen der Männer kennen, die es besuchten. Ich habe die Namensliste, Mylord. Zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass ich selbst mit zweien der darin aufgeführten Herren bekannt bin …«
    Der Richter verlor die Geduld. »Mr Winchester, Sie legen ein Verhalten an den Tag, wie ich es mir schlechter nicht vorstellen kann! Sie spielen mit dem vulgärsten Aspekt der allgemeinen Neugier, und das in einer zutiefst abstoßenden Angelegenheit. Damit fördern Sie Ihre Argumentation nicht im Geringsten!«
    »Mylord, jeder Einzelne der Männer auf dieser Liste ist persönlich mit Mr Ballinger bekannt! Jeder Einzelne, ohne Ausnahme!«
    Ein Aufkeuchen war im Saal zu hören; keiner konnte mehr ruhig sitzen. Dann folgte beklommene Stille.
    Rathbones Muskeln spannten sich jäh mit der Kraft eines Schraubstocks an. Nur zu gern hätte er geglaubt, dass das Ganze ein verzweifelter Versuch Rupert

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