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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ihm noch Zeit blieb, eine kleinen Kahn zu mieten und zu Parfitts Boot hinauszurudern, sich so lange an Bord aufzuhalten, wie es seiner Einschätzung nach gedauert haben könnte, Parfitt zu töten, und nach Mortlake zurückzurudern. Dort nahm er eine Droschke zur Anlegestelle der Fähre zurück nach Chiswick und erreichte sie dennoch innerhalb der Zeit, die Sie genannt haben. Haben Sie das auch getan?«
    Ballinger erwiderte sein Lächeln. »Mr Monk ist eine Generation jünger als ich und führt ein Leben, in dem es auf physische Kraft ankommt. Er ist bei der Wasserpolizei. Wahrscheinlich rudert er jeden Tag. Ich wünschte, ich wäre so jung und gesund wie er, aber, wie jeder sieht, bin ich das leider nicht. Ich bin dort nicht hinausgerudert und verspüre auch nicht den Wunsch, es ihm gleichzutun. Aber selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte es meine Fähigkeiten überstiegen.«
    »Sie waren nicht dort draußen?«
    »Nein. Es ist mein Unglück, dass ich den fraglichen Abend zufällig bei einem alten Freund in Mortlake verbrachte, statt zu Hause mit meiner Frau oder beim Essen in einer öffentlichen Gaststätte. Außerdem wird Commander Monk mir wohl nie vergeben, dass ich mich insofern für Jericho Phillips verwendet habe, als ich ihm Ihre Dienste als sein Verteidiger für den Prozess sicherte. Monk scheint nicht zu glauben, dass ein Mann, der übler Missetaten beschuldigt wird, erst dann schuldig ist, wenn ihm das vor Gericht bewiesen wird, und dass er in jedem Fall das Recht hat, von einem Anwalt verteidigt zu werden, dessen Fähigkeiten denen des Klägers in nichts nachstehen. Genau das ist der Grundpfeiler des Rechtswesens.«
    In der Galerie erhob sich zustimmendes Murmeln. Ballinger entspannte sich ein wenig, und zum ersten Mal begegneten sich sein und Rathbones Blick.
    Und Rathbone verspürte in Ballingers Augen Wärme, als hätte er bereits vollbracht, was seine Pflicht von ihm verlangte.
    »Danke, Mr Ballinger. Bitte warten Sie noch, falls Mr Winchester weitere Fragen an Sie richten möchte.« Damit kehrte er zu seinem Pult zurück.
    Winchester stand auf und trat nach vorn. »Oh, das möchte ich ganz gewiss.« Er blickte zu Ballinger empor.
    Rathbone war äußerst vorsichtig gewesen und hatte Hattie Bensons Namen nicht erwähnt. Wie Rathbone das sah, bluffte Winchester nur und schob das Eingeständnis seiner Niederlage hinaus, indem er die Spannung, seine wenigen Minuten der Macht, in die Länge zog.
    »Eine äußerst bewegende Aussage, Mr Ballinger«, bemerkte er. »Und interessant. Ich stelle fest, dass Sir Oliver Sie klugerweise nicht gefragt hat, ob Sie mit der Prostituierten Hattie Benson bekannt waren, die, so traurig es ist, auf dieselbe Weise ermordet wurde wie Mickey Parfitt. Sogar bei der Verwendung eines verknoteten Tuchs zur Strangulierung, das in den entsprechenden Abständen Blutergüsse an ihrer Kehle hinterließ, zeigte sich absolute Übereinstimmung.«
    »Sir Oliver hat mich nicht gefragt, weil er weiß, dass ich keine Kenntnisse davon habe«, entgegnete Ballinger ruhig. »Ich darf natürlich wie alle anderen hier darüber spekulieren, denn wir wissen aufgrund seiner Angaben, mit wem sie sich eingelassen hatte.«
    »Ah, ja!« Winchester nickte. »Mr Rupert Cardew. Aber da sie tot ist, bleibt ihre Aussage unausgesprochen.«
    »Sie hätte selbst dann unausgesprochen bleiben können, wenn sie noch lebte«, gab Ballinger zu bedenken. »Es ist möglich, dass sie es bereute und ihm erklärte, dass sie diese Geschichte nicht länger aufrechterhalten konnte.«
    Rathbone verlor seine bisherige Gelassenheit und stand auf. »Mylord, das ist reine Spekulation, für die hier kein Platz ist. Wir können weder wissen, was Miss Benson gesagt hätte, noch sie auffordern, dessen Wahrheit zu belegen oder es zurückzunehmen. Wenn mein gelehrter Freund den Angeklagten etwas zu fragen hat, möchte ich Sie bitten, ihn anzuweisen, das auch zu tun und nicht die Zeit des Gerichts zu verschwenden.«
    Der Richter beugte sich vor, doch bevor er sich äußern konnte, entschuldigte sich Winchester bereits.
    »Es tut mir leid, Mylord. Ich fahre mit der Vernehmung fort. Mr Ballinger, Sie haben erklärt, Sie hätten keine direkten Kenntnisse über das Gewerbe, das Mr Parfitt auf dem Boot ausübte, welches er mit Ihrer Hilfe erworben hatte?«
    »Das ist richtig«, erwiderte Ballinger kühl. »Nicht die geringsten.«
    »Und nach Ihrem besten Wissen waren Sie mit keinem der Männer bekannt, die zu seinen Stammgästen gehörten,

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