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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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die angemessene Demut. Eindeutig beherzigte er all die Ratschläge, die ihm Rathbone erteilt hatte. Er sah wirklich wie das Modell des unbescholtenen Mannes aus, dem von einem ungerechten Schicksal übel mitgespielt worden war.
    Geichwohl war Rathbone so nervös, als stünde er selbst vor Gericht. Sein Mund war völlig ausgetrocknet, und seine Muskeln schmerzten von der Anspannung, da er jede mögliche Variante der Befragung wieder und wieder in Gedanken durchgespielt hatte. Er hatte Angst, seine Stimme würde brechen und ihn verraten. Nicht einmal zu Margaret blickte er hinüber, die zusammen mit ihrer Mutter und ihren Schwestern auf der Galerie saß. Er konnte es einfach nicht ertragen, die Kälte in ihrem Gesicht zu sehen und darüber nachzudenken, wie es nach diesem Prozess, unabhängig vom Ergebnis, mit ihnen weitergehen würde.
    Er wagte es nicht, ein Scheitern ins Auge zu fassen.
    Ballinger wurde vereidigt und wandte sich ihm erwartungsvoll zu.
    »Mr Ballinger«, begann Rathbone und musste sich räuspern. Er war es nicht gewöhnt, bei einem Prozess so nervös zu sein. »Kannten Sie Mickey Parfitt?«
    »Ich bin ihm nur ein Mal vor einer Reihe von Jahren kurz begegnet. Ich kann mich kaum an ihn erinnern. Sein Name ist mir nur deshalb ein Begriff, weil eine Transaktion, die ich damals getätigt habe, ihn betraf.«
    »Eine Transaktion. Und worum ging es dabei, Mr Ballinger?« Rathbone wusste, dass er diesen Aspekt in die Länge ziehen musste, weil Urkunden dazu existierten und Winchester sich darauf stürzen würde, wenn er ihn nicht erschöpfend behandelte.
    »Es handelte sich um den Verkauf eines Boots an Mr Parfitt, den ich im Namen eines Mandanten übernahm«, erklärte Ballinger in ruhigem Ton.
    »Handelte es sich bei dem Boot um dasjenige, das für pornografische Darbietungen und die Einkerkerung von Kindern benutzt wurde?« Rathbone bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck.
    »Das weiß ich nicht. Ich habe meinen Mandanten beim Verkauf lediglich beraten.«
    »Hieß dieser Mandant, den Sie vertraten, Jericho Phillips, dem Sie Anfang dieses Jahres zur Seite standen, als er wegen eines Mordes angeklagt worden war?«
    Durch die Galerie wogte ein Rascheln, einige schnappten nach Luft.
    Die Geschworenen saßen regungslos da, die Gesichter bleich.
    »Ja«, bestätigte Ballinger gefasst. »Ich glaube, dass jeder Mensch Anspruch auf den Schutz durch die Gesetze und ein faires und gerechtes Verfahren hat.«
    »Das glauben wir alle, Mr Ballinger«, bestätigte Rathbone mit einem würdevollen Nicken. »Aus diesem Grund sind wir auch hier.«
    Beide vermieden einen Blick hinüber zu den Geschworenen. Sie hätten ebenso gut allein in Rathbones Kanzlei sein können.
    »Haben Sie dieses Boot jemals besucht?«, fuhr Rathbone fort.
    »Ein einziges Mal: als es verkauft wurde. Es kam mir wie ein völlig normales Wasserfahrzeug vor. Ich wollte mich nur vergewissern, dass es in den Dokumenten korrekt beschrieben worden war – was auch zutraf.«
    »Fragten Sie Mr Parfitt, zu welchem Zweck er es verwenden wollte?«
    »Nein. Das ging mich nichts an.« Ein kurzes Zucken huschte über Ballingers Gesicht. »Aber wenn es wirklich so genutzt wurde, wie es hier beschrieben worden ist, ist es kaum wahrscheinlich, dass er es mir erzählt hätte.«
    »Allerdings.« Rathbone gestattete sich die Andeutung eines Lächelns. »Waren Sie – Ihres Wissens – mit einem oder mehreren der Männer bekannt, die zu den Stammgästen eines oder beider Boote gehörten?«
    »Gewiss nicht. Aber wer solche Vorlieben pflegt, spricht nicht mit anderen darüber, außer mit denjenigen, die dem gleichen Laster frönen. Nach allem, was ich hier gehört habe, gehen sie ihm sogar gemeinsam nach, sodass sie einander gut kennen dürften.«
    »Das sollte man meinen.« Rathbone beschlich angesichts Ballingers ausführlicher Antwort ein unbehagliches Gefühl. Er hatte ihm geraten, bei allem extrem vorsichtig zu sein und nur immer mit Ja und Nein zu antworten, doch Ballinger war entweder zu nervös, um das zu beherzigen, oder sich seiner Sache zu sicher. Das Beste war wohl, Rathbone ließ das Thema auf sich beruhen.
    »Mr Ballinger, wo waren Sie an dem Abend, als Mickey Parfitt ermordet wurde?«
    Aufs Wort genau wiederholte Ballinger die Geschichte, die er schon einmal von sich gegeben hatte und die von Zeugen bestätigt worden war.
    Rathbone lächelte. »Laut seiner Aussage hat Commander Monk Ihren Weg auf die Minute genau nachverfolgt und festgestellt, dass

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