Einer trage des anderen Schuld
ihres Griffs um die Herren in hohen Ämtern. Ihn überraschte, dass ein Widerspruch tatsächlich erfolgreich sein konnte.
»Wirklich? Wie, um alles auf der Welt, konnte irgendjemand das gewinnen? So etwas kommt doch sicher vor das Berufungsgericht, und bei den Geldsummen, die auf dem Spiel stehen, dürfte höchstwahrscheinlich Lord Garslake persönlich der Verhandlung vorsitzen.« Garslake war Master of the Rolls , der dritthöchste Richter im ganzen Land, dem sämtliche zivilen Berufungsprozesse unterstanden. Seine Neigungen waren wohlbekannt, seine finanziellen Interessen weniger.
Ballinger grinste. »Er wurde dazu gebracht, seine Meinung zu ändern.«
»Ich wüsste gern, wie das gelungen sein soll«, brummte George mit unverhohlener Skepsis.
Ballinger blickte ihn belustigt an. »Das glaube ich dir aufs Wort, aber die Angelegenheit ist nicht öffentlich.«
»Hatte Lord Cardew die Hände im Spiel?«, fragte Mrs Ballinger. »Ich weiß, dass dieser Fall ihm viel bedeutet hat.«
Ballinger tätschelte ihr leicht den Arm. »Meine Liebe, du bist zu klug, um das zu fragen, so wie ich zu klug bin, um es dir zu verraten.«
»Du hast ›armer Mann‹ gesagt?« Wilbert hob fragend eine Augenbraue. »Warum?«
Ballinger schüttelte den Kopf. »Ach, weil sein ältester Sohn gestorben ist. Bootsunfall irgendwo im Mittelmeer. Schreckliche Angelegenheit.« Ein Schatten fiel über sein Gesicht, als wäre er trotz des Sieges vor Gericht immer noch bekümmert.
Margarets Finger lagen sanft auf denen ihres Vaters. »Papa, damals hast du um ihn getrauert. Ich weiß, dass diese Wunde nicht heilen wird. Vielleicht ist das bei so etwas nie möglich. Aber du kannst doch nicht seinetwegen endlos leiden. Wenigstens hat er noch einen lebenden Sohn.«
Ballinger hob den Kopf und drehte seine Hand, um die ihre fest zu umschließen.
»Du hast natürlich vollkommen recht, meine Liebe. Aber nicht jeder hat mit seinen Kindern so viel Glück wie ich. Du kannst nicht wissen – wie könntest du auch? –, dass Charles Cardew ein brillanter junger Mann war, nüchtern, aufrichtig, hochintelligent, mit glänzenden Zukunftsaussichten. Rupert ist in vielerlei Hinsicht sein genaues Gegenteil. So gutaussehend, dass es sein Verderben sein wird.« Er unterbrach sich, als hätte er das Gefühl, zu viel gesagt zu haben.
»Führt gutes Aussehen denn ins Verderben?«, fragte Gwen neugierig. »War Charles etwa unansehnlich?«
Ballinger lächelte sie an. »Von solchen Männern weißt du nichts, meine Liebe. Rupert Cardew ist ein Verschwender, ein Schürzenjäger; er umgarnt und täuscht verheiratete Frauen, von denen man eigentlich ein besseres Urteilsvermögen und mehr Verstand erwarten würde.«
Margaret wirkte auf einmal peinlich berührt. Kurz stellte sie sich Rathbones Blick, nur um dann die Augen abzuwenden.
»Vielleicht ist er vor Trauer ein wenig verrückt geworden?«, spekulierte Gwen. »Das kann ja passieren. Standen sie sich sehr nahe?«
Ballinger musterte sie mit gelinder Überraschung. »Ich habe keine Ahnung. Aber das halte ich für unwahrscheinlich. Rupert war schon lange vor Charles’ Tod wild und egoistisch. Es ist lieb von dir und zeugt von geistiger Großmut, wenn du versuchst, ihn zu entschuldigen, aber leider ist sein Verhalten noch viel schlimmer, als du es dir vorstellen kannst.«
Gwen ließ nicht locker. »Wirklich? Viele junge Männer trinken ein bisschen zu viel, Papa. Die meisten von uns wissen das auch. Wir stellen uns nur ahnungslos.«
»Ja, wir müssen bei vielem so tun, als ob«, ergänzte Celia. »Es ist sehr töricht, sich zu allem, was man weiß, zu bekennen. Da kann man sich schnell selbst das Leben unmöglich machen.«
»Also wirklich, Celia!«, tadelte George sie, dessen Miene nicht die geringste Spur von Belustigung verriet.
Rathbone wandte sich Margaret zu. In ihren Augen sah er umso mehr Humor aufblitzen. Es war ein Moment des Einverständnisses, bei dem Worte nicht nötig waren. Er freute sich schon auf die Heimfahrt allein mit ihr in der Kutsche und mehr noch auf die Ankunft daheim.
»Mich wundert, dass du noch nichts davon gehört hast, Oliver.« Ballinger hielt einen Moment lang inne. »Der arme Cardew hat ihn aus mehr als einem Skandal retten müssen, sonst wäre der Name der Familie beschmutzt worden.«
»Ich dachte mir schon, dass du vorhin so etwas gemeint hast«, murmelte Celia kleinlaut.
»Leider ist Rupert Cardew noch sehr viel weitergegangen«, fuhr Ballinger fort. »Wenn er gereizt wird,
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