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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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er darauf, dass ich ihn nie anlüge. Das ist das Einzige, worüber er Gewissheit hat. Und das darf ich nicht kaputtmachen.«
    »Ich weiß.« Hester kaute auf ihrer Lippe. »Du hast recht. Jeder Versuch, ihn davor zu schützen, ist lächerlich. Das hieße ja, ihm seine Erfahrung abzusprechen, so als ob wir ihm nicht glaubten. Und das ist das Letzte, was er braucht. Ich weiß nicht, inwieweit er noch ein Kind ist und inwieweit schon ein Mann.« Sie lächelte, doch Monk bemerkte ihre Traurigkeit. »Und ich bilde mir nicht ein, mich wirklich gut mit Kindern auszukennen. Ich glaube, er hat Angst davor, berührt zu werden. Wie er das sieht, könnte er dann seine Unabhängigkeit verlieren, die er doch so dringend braucht, um zu überleben. Vielleicht lässt sich eines Tages …«
    »Du wirst das schon richtig machen«, sagte Monk sanft. »Du bist gut im Umgang mit den schwierigen Fällen.« Er ließ unerwähnt, dass er selbst einmal ein Paradebeispiel für diese Kategorie gewesen war und in welche Abgründe er damals gefallen war – intelligent, verwundbar, leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, weil er sich an nichts mehr erinnern konnte, weder an Freunde noch an Feinde. Am Anfang hatte ihn lähmendes Entsetzen gepackt, da er nicht wusste, ob er es gewesen war, der Joscelyn Grey totgeschlagen hatte. Doch Hester hatte sich nicht von ihm abgewandt, zu keinem Zeitpunkt hatte sie daran gedacht, den Kampf um die Wahrheit aufzugeben oder in ihren Bemühungen, ihn zu schützen, nachzulassen.
    Er betrachtete sie im Schein der Küchenlampe, wie sie ihm gegenüber am Tisch saß, hinter ihr auf der Anrichte die schimmernden Töpfe und das vertraute Porzellangeschirr. Ihre Lider waren schwer, ihre Haare, die sich vorhin im Schlaf aus den Klammern gelöst hatten, fielen ihr auf die Schultern, und das schlichte blaue Kleid erinnerte vage an ihre Zeit als Krankenschwester. Doch trotz aller Müdigkeit war sie bereit, es mit jedem aufzunehmen, wenn es um Scuffs Verteidigung ging. Mit einem überraschten Prickeln erkannte er auf einmal, was Schönheit in Wahrheit bedeutete.
    »Ich werde herausfinden, wer Mickey Parfitt ermordet hat, und der Pornografie auf den Booten ein Ende bereiten, wer immer dahinterstecken mag und wen immer es trifft«, versprach er ernst.
    »Selbst wenn es Oliver ist?«, fragte Hester.
    Er zögerte, wenn auch nur kurz. »Ja.«
    Sie lächelte, und in ihren Augen glomm tiefste Zärtlichkeit. »Der Mann, der du früher warst, konnte das, aber glaubst du, dass du immer noch dazu in der Lage bist? Der Drahtzieher hinter all dem wird nicht so ohne Weiteres untergehen. Er wird jeden mit sich in den Abgrund reißen, den er zu fassen bekommt. Halte dir vor Augen, was er alles getan hat, dann ist dir das klar. Es könnte dich treffen, mich« – ihre Stimme wurde leiser –, »Scuff, jeden. Bist du darauf vorbereitet?«
    Diesmal verfiel er in längeres Schweigen, bis er schließlich antwortete: »Nachzugeben wäre nur der erste Schritt zur Kapitulation. Wenn ich jetzt zurückweiche, ist es gut möglich, dass ich den Rest meines Lebens damit verbringe, jedes Mal in die Knie zu gehen, sobald ich irgendetwas verlieren könnte.«
    Sie beugte sich vor und legte ihre Hand auf die seine. Dann nickte sie, ohne ein Wort zu sagen.
    Am nächsten Tag kehrten Monk und Orme nach Chiswick zurück, um dem Weg des Geldes zu folgen, das in Mickeys Gewerbe und in die Finanzierung des Bootes investiert worden war. Die einzigen bisher nachvollziehbaren Beträge bestanden in der Zahlung an den Vorbesitzer und den vermuteten Kosten für Wartung und Verschönerung. Mickey musste zu dem einen oder anderen Zeitpunkt gewaltige Summen umgesetzt haben, und zumindest ein Teil davon hatte wohl Spuren hinterlassen.
    Wer immer das Boot repariert hatte, erinnerte sich bestimmt daran, wo es vor Anker gelegen hatte.
    »Meinen Sie, das wird was nützen?«, fragte Orme düster. Sie standen am Ufer, unmittelbar oberhalb von Hammersmith Creek, der letzten Biegung in Richtung City.
    »Haben Sie eine bessere Idee?«, fragte Monk. »Wir wissen, was ’Orrie, Tosh und Crumble uns sagen werden. Sie noch einmal auszufragen wird nichts bewirken.«
    Eine kühle Brise strich ihnen übers Gesicht und trug den Geruch von Schlamm und Seetang heran. Orme starrte auf das Wasser. »Tosh ist ein übler Kerl«, erklärte er. »Aber ich wüsste nicht, warum er Mickey umbringen sollte. Er hat nicht die Fähigkeiten, an seine Stelle zu treten, ist aber auch nicht so dumm, dass er

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