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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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all diese entsetzlichen Dinge nie geschehen wären.
    Gleich als Erstes fand sich am nächsten Morgen der Polizeiarzt bei Monk ein, um ihm von den Ergebnissen der Obduktion von Mickey Parfitts Leiche zu berichten. Er war ein dunkler Mann mit schmalem Gesicht und Galgenhumor. Er traf Monk in der Polizeiwache von Chiswick an, wo dieser die Aufzeichnungen über die Finanzen von Parfitts Geschäft studierte.
    »Morgen!«, rief der Arzt fröhlich und schloss die Tür fest hinter sich, als hätte er ein Geheimnis mitzuteilen und befürchtete, Unbefugte könnten ihn dabei belauschen.
    Sie hatten sich schon öfter getroffen. »Guten Morgen, Dr. Gordimer«, begrüßte ihn Monk. »Sie haben etwas über Parfitts Tod für mich, nehme ich an?«
    »Bin bloß wegen Ihrer Gastfreundschaft gekommen«, erwiderte Gordimer ironisch und sah sich in dem kleinen, chaotischen Büro um, wo jede freie Fläche von bedenklich hohen Stapeln von Büchern und Dokumenten bedeckt war. Jeder auch nur im Geringsten schief platzierte Neuzugang würde dafür sorgen, dass mindestens einer der Türme in sich zusammenfiel. »Immerhin ist es hier besser als in der Leichenhalle – na ja, wenigstens wärmer.«
    »Ich ziehe das Dog and Duck vor«, bemerkte Monk trocken.
    Gordimer schnaubte. »Machen Sie immer ein solches Durcheinander? Fehlt Ihnen schon was? Bei diesem Verhau muss man doch den Überblick verlieren.«
    »Haben Sie nun Neuigkeiten über Parfitt? Ich weiß, dass er einen Schlag auf den Kopf bekam und erwürgt wurde. So viel habe ich mir selbst zusammengereimt.«
    »Ah – aber womit?«, fragte Gordimer triumphierend.
    »Seil? Schnur? Etwas noch Besseres?« Monk legte das Dokument, das er gerade studierte, beiseite und blickte den Arzt hoffnungsvoll an.
    »Viel besser.« Gordimer grinste. Er fischte ein Stück Tuch aus seiner Tasche. Obwohl es schmutzig und mit Blutflecken bedeckt war, ließen sich doch Knoten erkennen, die in halbwegs regelmäßigen Abständen angebracht waren.
    Monk griff danach.
    Gordimer entzog es seiner Hand.
    »Was ist das?«, fragte Monk neugierig. »Sieht aus wie ein Lumpen.«
    Gordimer nickte. »Ein sündteurer Seidenlumpen, um es präzise zu sagen. Aufgrund eingehender und fachmännischer Untersuchung bin ich mir ziemlich sicher, dass es sich, wenn man es entknotet, sorgfältig wäscht und vielleicht auch bügelt, als Halstuch eines Gentlemans herausstellen wird. Das Wenige, was ich von solchen Dingen weiß, erlaubt mir das Urteil, dass es aus schwerer Seide gemacht und mit goldenen Leoparden bestickt ist, einer über dem anderen, dem Wappen der Königin auf der Flagge sehr ähnlich.«
    Monks Magen sackte nach unten. »Sie wollen doch nicht …?«
    »Nein«, bestätigte Gordimer, die Augenbrauen hochgezogen. »Das will ich nicht. Ich sagte ›ähnlich‹. Nichts an diesem Ding hier ist königlich. Jeder bessere Herr mit Vermögen und – ich möchte hinzufügen – Geschmack könnte ein solches Halstuch erwerben.«
    »Teuer?«
    »Sehr.«
    »Und damit wurde er umgebracht?«
    »Ich habe es von seinem Hals abgenommen, Mann! Was wollen Sie mehr?«
    »Können Sie es fotografieren und beglaubigen lassen?«, fragte Monk. »Dann können wir die Knoten lösen, es waschen und noch einmal unter die Lupe nehmen. Wenn wir seinen Besitzer ermitteln, sind wir einen großen Schritt weitergekommen.«
    »Wahrscheinlich.« Gordimer nickte. »Höchstwahrscheinlich.«
    »Danke«, sagte Monk aufrichtig.
    »War mir ein Vergnügen. Zumindest glaube ich das. Ganz sicher bin ich mir nicht – bei einem widerwärtigen Schwein, wie Parfitt es war.«
    Monk lächelte ihn an und sagte nichts.
    Den Eigentümer des Halstuchs zu finden, das war leichter gesagt als getan. Von Tosh, Crumble und ’Orrie Jones hatte Monk keinerlei Hilfe zu erwarten und bekam sie auch nicht. Den meisten Erfolg versprach er sich von Örtlichkeiten wie den Cremorne Gardens, wo wohlhabende Kunden vermutlich zu Fahrten zu Parfitts Boot abgeholt worden waren. Allerdings hatte es keinen Sinn, tagsüber Nachforschungen anzustellen. Die Leute, nach denen er Ausschau hielt, suchten ihr Vergnügen in der Nacht.
    Also begann er kurz vor der Abenddämmerung. Das Halstuch selbst war sicher verwahrt – er konnte es einfach nicht riskieren, es zu verlieren. Was er dabeihatte, war eine akkurate Zeichnung von dem Tuch, wie es ausgesehen hätte, hätte es der Diener seinem Eigentümer zum Anlegen überreicht. Die Abbildung war sogar sorgfältig koloriert worden, sodass die kleinen

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