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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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dritte Post ging an mich und meinen Vater. Den Brief an meinen Vater habe ich gleich verbrannt, aber den an mich gelesen. Er behauptete, ich hätte einen Vertrag mit ihm geschlossen, und es gäbe eine Fotografie, die das bewiese. Ob ich wieder aufs Boot käme oder nicht, ich würde ihm in jedem Fall Geld schulden.«
    »Erpressung.« Rathbone schürzte angewidert die Lippen. Das ganze System war noch raffinierter, als er gedacht hatte, und viel schwerer vor Gericht zu beweisen. Wie konnte er plausibel darstellen, dass es nie einen »Vertrag unter Ehrenmännern« gegeben hatte? Solche Abmachungen wurden selten schriftlich festgehalten, vor allem dann nicht, wenn es um Glücksspiel oder die Dienste einer Prostituierten ging.
    Rupert nickte. »Das habe ich erst in diesem Moment begriffen. Mein Gott, war ich dumm!« Er stöhnte.
    »Haben Sie gezahlt?«
    Ruperts Züge strafften sich. »Angesichts dieser Fotos? Natürlich habe ich gezahlt! Ich hatte die Absicht, mir etwas Zeit zu erkaufen und mir dann zu überlegen, was ich tun könnte. Ich wusste, dass dieser Dreckskerl mich den ganzen Rest meines Lebens zahlen lassen würde, wenn mir nicht irgendetwas einfiel.«
    Rathbone maß ihn mit einem forschenden Blick. Was er sah, waren Erinnerung an Verzweiflung, tiefe Beschämung, aber erstaunlicherweise keinerlei Bewusstsein darüber, soeben das perfekte Motiv für einen Mord eingeräumt zu haben. Lag das daran, dass Rupert sich vollkommen im Recht fühlte? Und wenn das so war, konnte Rathbone ihm da widersprechen? Wenn je ein Mann es verdient hatte, beseitigt zu werden, dann Mickey Parfitt. Man konnte fast meinen, Jericho Phillips wäre in ihm von den Toten wiederauferstanden.
    »Nun, jetzt sind Sie ihn los«, stieß er mit rauer Stimme hervor.
    »Wohl kaum«, entgegnete Rupert bitter. »Er wird mich mit sich ins Grab nehmen. Fast wünschte ich mir, ich hätte ihn selbst umgebracht.«
    »Haben Sie es denn nicht getan?«
    Ruperts Kopf fuhr ruckartig hoch. Seine Augen glühten. »Nein, ich war es nicht!«
    Rathbone war an Leugnen gewöhnt. Fast jeder berief sich auf seine Unschuld. Und wenn die Täterfrage schließlich doch geklärt war, hieß es entweder, es wäre ein Unfall gewesen, oder das Opfer hätte es nicht anders verdient. Und doch neigte er dazu, Rupert Cardew zu glauben, obwohl das wirklich unvernünftig war. Sämtliche Indizien wiesen auf ihn. Sein Verdacht gegen Arthur Ballinger erschien Rathbone jetzt hingegen total lächerlich. Da hatte er doch allzu leichtgläubig dem Wort eines Mannes vertraut, der sich bereits zu Mord und Selbstzerstörung entschlossen hatte. Warum hatte er überhaupt in Betracht gezogen, Sullivans Aussage als etwas anderes zu betrachten denn als Versuch, sich zu rächen für …? Wofür eigentlich? Nun, da bot sich alles Mögliche an: eingebildete Kränkungen, Ballingers Erfolge, während Sullivan gescheitert war, oder schlichtweg die Tatsache, dass Ballinger erkannt hatte, wie tief er gesunken war.
    »Wer hat es dann getan?«, fragte Rathbone erbittert. »Mit Ihrem Halstuch?«
    »Ich weiß es nicht. Derjenige, der es gefunden hat, nehme ich an.«
    Rathbone verdrehte die Augen. »Er stieß rein zufällig auf Ihr Halstuch, wo immer es lag, und sagte sich: ›Ah, ich weiß, was ich damit machen werde, ich binde ein paar Knoten und erwürge dann jemanden damit. Wie wär’s zum Beispiel mit Mickey Parfitt? Wir alle wären ohne ihn doch besser dran.‹«
    Rupert erwiderte verärgert: »Ich weiß nicht, wer ihn warum umgebracht hat. Es könnte ein Dutzend Gründe geben und fünfzig Männer mit einem Motiv, das mindestens so gut war wie meines. Ich weiß nur, dass ich es nicht war! Bis auf das eine Mal, das ich Ihnen geschildert habe, war ich noch nie so betrunken, dass ich mich später nicht mehr daran erinnern konnte, was ich getan hatte. Nur die Orte und meine Begleiter gerieten vielleicht mal durcheinander.« Kurz blitzte Schalk in seinen Augen auf.
    Rathbones Gedanken überschlugen sich. War es vorstellbar, dass Rupert tatsächlich unschuldig war, zumindest was den Mord betraf? Ein einziger vernünftiger Zweifel würde zwar seine Verurteilung verhindern, aber nichts daran ändern, dass man ihn weiterhin für schuldig hielt. Gewiss, manche würden ihm für seine Tat Beifall spenden, doch der Schandfleck ließe sich nie tilgen. Die einzige gute Antwort bestünde darin, die Schuld eines anderen zu beweisen.
    »Was wissen Sie über Parfitt?«, fragte er. »Und zwar über das hinaus, was Sie mir

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