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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gesagt haben? Woher stammte er? Wer waren seine Partner auf dem Boot? Er selbst hatte ja wohl kaum das Geld, um es allein zu kaufen. Wer half ihm? Wer war an den Profiten beteiligt? Wer sind die anderen Kunden, die er in den Ruin getrieben haben könnte? Forderte er bei seinen Erpressungen nur Geld oder auch bestimmte Gefälligkeiten?«
    »Gefälligkeiten?« Rupert blinzelte. »Sie meinen …«
    »Politische Gefälligkeiten«, präzisierte Rathbone. »Oder möglicherweise schlimmer noch: Gefälligkeiten bei Gerichtsentscheidungen?«
    »Gerichtsent…?«, begann Rupert, um jäh zu verstummen, als er die ganze Tragweite des Verdachts begriff. »Mein Gott, darauf wäre ich nie gekommen. Wäre ihm das wirklich zuzutrauen gewesen?«
    »Das weiß ich nicht, aber verstehen Sie jetzt, welche Dimensionen dieser Fall annehmen kann?«
    Rupert war leichenblass geworden. Dachte er gerade an seinen Vater und dessen Macht im House of Lords, seinen Einfluss auf Mitglieder, die für Reformen kämpften? Wenn Ruperts Ruf auf dem Spiel stand, wozu konnte man dann erst seinen Vater zwingen?
    »Wie sind Sie darauf gekommen?«, fragte Rupert. »Wissen Sie etwas?« Seine Stimme verriet seine Angst. Vom Zorn war nichts mehr übrig.
    »Nein«, antwortete Rathbone wahrheitsgemäß. »Aber das ist genau das, was Jericho Phillips getan hat. Insofern ist es das Naheliegendste.«
    »Phillips?«
    »Ja.«
    »Dann ist das auch Parfitt zuzutrauen. Er hat alles von Phillips gelernt. Er arbeitete ja am Anfang für ihn. Unterhalb von Chiswick, näher bei Westminster.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Dann kennen Sie ihn besser als nur von dem einen Besuch, den Sie mir geschildert haben.«
    Rupert kniff schmerzhaft berührt die Augen zusammen. »Hören Sie … Ich war dreimal dort und schäme mich dafür. Beim ersten Mal war es noch nicht so schlimm. Keine Kinder, was mich betrifft. Auch das zweite Mal ging wohl gerade noch. Junge Männer, aber wir alle wissen ja, wie das so läuft. Man treibt ein bisschen Glücksspiel und trinkt höllisch viel. Wenn ich nur ein wenig Verstand gehabt hätte, hätte ich gewusst, dass das noch längst nicht alles war, aber ich dachte eben nicht nach. Ich … ich wollte mit meinen Freunden, mit denen ich dort war, zusammenbleiben. Nach dem dritten Mal bin ich aber nie mehr zurückgekehrt.«
    Entgegen all seinen Erfahrungen mit verängstigten Beschuldigten glaubte ihm Rathbone. Doch gleichzeitig raubte ihm dieses Geständnis eine Verteidigungsstrategie, von der er sich durchaus Erfolgsaussichten versprochen hätte oder zumindest die Hoffnung, die Strafe so weit abzumildern, dass der Strick vermieden werden konnte. Fürs Erste schreckte er freilich davor zurück, Rupert damit zu konfrontieren. Er konnte nicht mit ihm zusammenarbeiten, wenn dieser vor Angst gelähmt war. Er musste von der Wahrheit so viel wie nur möglich erfahren, um den Beweismitteln vorzubeugen, die der Staatsanwalt gegen ihn vorlegen konnte. Mickey Parfitts Tod war keine cause célèbre , aber ein Rupert Cardew auf der Anklagebank wäre das ganz gewiss.
    »Wissen Sie, wer noch dort draußen war?«, fragte Rathbone laut.
    Rupert prallte erschrocken zurück. »Ich kann Ihnen unmöglich die Namen meiner Freunde verraten, die auf dem Boot waren! Um Himmels willen, das wäre ja zutiefst verachtenswert!«
    »Selbst wenn einer von ihnen Mickey Parfitt ermordet hat?«
    »Sie alle verraten, weil einer von ihnen sein Mörder sein könnte? Würden Sie sich für so etwas hergeben, Sir Oliver?« Es war ein scharfer Gegenangriff aus heiterem Himmel, eine persönliche Herausforderung.
    Rathbone bewunderte ihn dafür. »Wollen Sie, dass ich wahrheitsgemäß antworte?«, fragte er.
    »Allerdings. Würden Sie das tun?«
    »Nein, Mr Cardew. Andererseits suchen meine Freunde solche Orte nicht auf, jedenfalls nicht, soweit ich weiß. Und mehr kann ich nicht darüber wissen, weil ich mich von so etwas strikt fernhalte. Ich habe jedoch gesehen, was Männer wie Phillips und Parfitt Kindern angetan haben, und wäre glücklich, wenn das Gesetz es uns ermöglichte, sie ein für alle Mal auszumerzen. Wenn wir andererseits Menschen gestatten, selbst darüber zu entscheiden, wer leben darf und wer sterben soll, wäre das ein Freibrief für willkürliches Morden. Wir können immer Ausreden finden, wenn wir welche brauchen. Aber das wissen Sie genauso gut wie ich.«
    »Trotzdem kann ich Ihnen die Namen derer nicht verraten, die mit mir zu diesem Boot hinausgefahren sind.«
    »Noch

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