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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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Clément neugierig fort. Sie sagte wirklich »alle«, als ob sie Teil eines ganzen Hofstaats wäre, dessen Blicke auf die verliebten Schritte seines Regenten gerichtet waren. »Aber wenn sie heute schon nach Ihnen gefragt hat und Ihnen sogar einen Liebesbrief geschrieben hat, muss es ja ein schöner Abend gewesen sein.«
    »In der Tat.« Ich musste lachen. »Und wieso sind Sie sich so sicher, liebe Madame Clément, dass es ein Liebesbrief ist?«
    Sie legte den Kopf schief und stemmte ihre freie Hand in die Seite. »Na, hören Sie mal, Monsieur Bonnard, ich hab nun auch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Man muss doch nur in Ihr Gesicht sehen, um zu sehen, was los ist. Sie hat Ihnen einen Liebesbrief geschrieben, c’est ça! « Ihre großen Hände umfassten den Besenstil und stießen ihn zur Bekräftigung einmal energisch auf den Boden. »Und nun machen Sie Platz, damit ich hier noch durchfegen kann, bevor die Vorstellung anfängt.«
    Ich trat mit einer angedeuteten Verbeugung zur Seite und machte mich davon. Als ich mein Gesicht in dem großen Art-déco-Spiegel sah, der im Foyer hing, musste ich Madame Clément Recht geben. Dieser große schlanke Mann mit dem dichten dunklen Haar, den verräterisch glänzenden Augen und diesem ganz besonderen Lächeln war verliebt. Das konnte jeder sehen, der Augen im Kopf hatte.
    Ich wandte mich ab und tastete nach dem Brief in meiner Jackentasche. War es ein Liebesbrief? Ich holte ihn noch einmal hervor und lächelte, als ich die zärtlichen Worte überflog.
    Ich lächelte und ahnte nicht, dass es dieser Brief sein würde, den ich in den nächsten Wochen immer wieder lesen sollte, an den ich mich mit der Verzweiflung eines Ertrinkenden festklammern würde, weil er der einzige Beweis für einen glückseligen Abend war, der unter einer alten Kastanie in einem Innenhof in der Rue de Bourgogne sein Ende gefunden hatte.
    Ich starrte auf das Filmplakat von Die Dinge des Lebens, das ich gestern Nachmittag noch im Foyer aufgehängt hatte und mit dem Schild »Am nächsten Mittwoch in der Reihe Les Amours au Paradis « versehen hatte, und wünschte mir, es wäre schon der nächste Mittwoch. Liebend gern hätte ich die Gesetze der Zeit durchbrochen und eine Woche meines Lebens hergegeben, um Mélanie gleich jetzt wiederzusehen. Doch sie war vermutlich schon auf dem Weg in die Bretagne.
    In den nächsten Tagen steckte Mélanies Brief in meiner Jackentasche wie ein Talisman. Ich trug ihn immer bei mir – wie eine Rückversicherung für das Glück. Ich las ihn am Abend, als ich – unter den aufmerksamen Blicken von Orphée – mit einem Glas Rotwein auf dem Sofa lag und nicht ins Bett gehen wollte; ich las ihn am nächsten Morgen, als ich an einem der runden Tischchen im Vieux Colombier meinen Espresso trank und anschließend abwesend in den Regen starrte, der auf das Pflaster prasselte.
    Natürlich war es ein Liebesbrief. Und es war zudem die schönste Überraschung, die diese aufregende Woche mir gebracht hatte.
    Das dachte ich zumindest bis zu dem Augenblick, als ich am Freitagabend nach der letzten Vorstellung das Gitter des Kinos herunterzog und sich aus dem Schatten ein kleiner Mann im Trenchcoat löste und mich ansprach.
    Ich kannte den Mann und ich kannte auch die Frau neben ihm. Doch das begriff ich erst ein paar Sekunden später.
    Keiner kann es mir verdenken, dass ich die Augen aufriss und mir vor Überraschung der Schlüsselbund aus der Hand glitt. Die ganze Szenerie war – um es mit den Worten des schüchternen Buchhändlers aus dem Film Notting Hill zu sagen – einigermaßen surreal.
    Vor mir stand wie vom Himmel gefallen der berühmte New Yorker Regisseur Allan Wood und an seiner Seite eine atemberaubend schöne Frau, die ich schon oft auf der Leinwand bewundert hatte.
    Solène Avril, eine der bekanntesten Schauspielerinnen unserer Zeit, schüttelte meine Hand so selbstverständlich, als ob wir alte Freunde wären.
    »Bonsoir, Alain«, sagte sie und schenkte mir ein strahlendes Lächeln. »Ich bin Solène und ich liebe dieses Kino.«

11
    »Meine Güte, es ist wirklich alles noch genau so, wie ich es in Erinnerung hatte, wunderbar – c’est ravissant! «
    Mit kindlichem Entzücken ging Solène Avril durch die Stuhlreihen und strich über die Lehnen der alten roten Samtpolster. »Ist das nicht einfach unglaublich, chéri ? Habe ich dir zu viel versprochen? Du musst zugeben, so etwas hätten wir in Amerika niemals gefunden.«
    Allan Wood stupste sich seine Hornbrille

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