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Eines Greifen Ei

Eines Greifen Ei

Titel: Eines Greifen Ei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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unsichtbare Tod knisternd und polternd auf das Dach der Führerkabine herabprasselte. Er legte Helm und Handschuhe an, prüfte zweimal ihre Verschlüsse und entriegelte die Tür.
    Sie flog mit Schwung auf. Seiten aus dem Betriebshandbuch flatterten davon, und ein Handschuh trudelte fröhlich über die Oberfläche und jagte den rosafarbenen Glückswürfel vor sich her, den ihm Eurydike damals in jener letzten Nacht in Schweden geschenkt hatte. Eine Handvoll Vierkornplätzchen, die sich in einer offenen Dose auf der Ablage des Armaturenbrettes befanden, zerfielen zu Pulver und verschwanden gleich darauf, wobei sie die Dose mit sich zogen. Durch eine Explosion ausgelöste Dekompression. Er hatte vergessen, den Druckausgleich zu betätigen. Gunther erstarrte vor Schauder und Staunen darüber, daß er einen so grundsätzlichen - so katastrophalen - Fehler begangen hatte.
    Dann war er auf der Oberfläche, den Kopf nach hinten geneigt, und starrte zur Sonne hinauf. Dort tobten Sonnenflecken und eine gewaltige unvorhergesehene Sonnenfackel.
    Ich werde sterben, dachte er.
    Während eines langen, lähmenden Augenblicks schmeckte er die eiskalte Gewißheit dieses Gedankens. Sein Tod stand bevor. Er wußte, daß das eine Tatsache war, wußte es so bestimmt, wie er noch nie etwas gewußt hatte.
    In Gedanken sah er den TOD über die Mondebene auf ihn zuschweben. Der TOD war eine kahle Wand, ohne Gesicht, die sich unendlich nach allen Richtungen ausdehnte. Er spaltete das Universum in zwei Hälften. Auf dieser Seite waren das Leben, die Wärme, Krater und Blumen, Träume, Grubenroboter, Gedanken, alles, was Gunther kannte oder sich vorstellen konnte. Auf der anderen Seite ... Etwas? Nichts? Die Wand gab keinen Aufschluß. Sie war unergründlich, rätselhaft, absolut. Doch sie bedrückte ihn. Sie war jetzt so nah, daß er sie fast hätte berühren können, wenn er die Hand ausstreckte. Bald wäre sie hier. Er würde durch sie hindurchgehen, und dann wüßte er Bescheid.
    Mit einem ruckartigen Aufbäumen seines Willens riß er sich von diesem Gedanken los und hievte sich aus der Führerkabine. Er kletterte seitlich daran hoch. Während sein Mentalkom-Chip zischte, knatterte und krachte, packte er die Magnetgurte, die Siegfried an seinem Platz hielten, grapschte die Spule und das Fernbedienungsteil und sprang über den Rand hinunter.
    Er kam schwankend am Boden auf, fiel auf die Knie und rollte unter den Anhänger. Es war genügend Abschirmmaterial um die Brennstäbe herumgewickelt, um jedes Maß an harter Strahlung abzuhalten - gleichgültig, aus welcher Quelle sie stammen mochte.
    Es würde ihn sowohl vor der Sonne als auch vor der Fracht schützen. Der Mentalkom-Chip verstummte, und er spürte, wie seine Kiefer sich aus einer verkrampften Spannung lösten.
    Gerettet.
    Es war dunkel unter dem Anhänger, und er hatte Zeit zum Überlegen. Selbst wenn er sein Beatmungsgerät bis zum äußersten aufpumpen und alle Instrumente an der gesamten Außenfläche seines Anzugs ausschalten würde, hätte er nicht genügend Sauerstoff, um den Sturm zu überdauern. Das stand fest. Also mußte er sich irgendeinen Schutzraum suchen. Weißkopf war am nächsten, nur fünfzehn Kilometer weit entfernt, und dort gab es einen Bunker in der G5-Montagehalle. Das müßte sein Ziel sein.
    Nur nach dem Gefühl arbeitend, fand er die Stützstreben aus Stahl und benutzte Siegfrieds Magnetgurte, um sich an die Unterseite des Anhängers zu schnallen. Es war eine schwierige Arbeit, die er ungeschickt erledigte, doch schließlich hing er mit dem Gesicht nach unten über der Straße. Er tastete nach den Bedienungshebeln des mobilen Automaten und richtete Siegfried auf. Zwölf qualvolle Minuten später gelang es ihm endlich, Siegfried unversehrt vom Dach herunterzuholen. Der Innenraum war nicht dafür vorgesehen, etwas auch nur halb so Großes zu beherbergen. Um den Automaten hineinzubekommen, mußte er zunächst die Tür herausschneiden und dann den Sitz aus der Kabine reißen. Nachdem er beide Gegenstände am Straßenrand abgelegt hatte, quetschte er Siegfried hinein. Der weiche Automat knickte zweimal ein, konfigurierte sich neu, konfigurierte sich noch einmal und schaffte es schließlich, sich dem Raum anzupassen. Sanft, gefühlvoll griff Siegfried nach den Hebeln und legte den ersten Gang ein.
    Mit einem Rumpeln setzte sich der Wagen in Bewegung.
    Es war die reinste Höllenfahrt. Der Wagen, der an sich schon nicht der schnellste war, wälzte sich die Straße

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