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Eines Greifen Ei

Eines Greifen Ei

Titel: Eines Greifen Ei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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hinunter wie ein gußeisernes Schwein. Siegfrieds Optik war über die Hebel gebeugt und konnte nicht angehoben werden, ohne daß die Hände des Automaten sich losrissen. Er konnte nicht nach vorn sehen, ohne zuvor den Wagen anzuhalten.
    Er steuerte, indem er die Straße, die unter ihm vorbeizog, beobachtete. Mit Hilfe der Markierungen, die sich am Straßenrand aneinanderreihten, konnte er den Wagen mehr recht als schlecht auf der Spur halten. Jedesmal, wenn er auf Abwege geriet, betätigte er Siegfrieds Hebel, um den Wagen wieder in die richtige Bahn zu lenken, so daß er langsam von einer Seite zur anderen schwenkte und im Zickzackkurs über die Straße schlich.
    Schatten bäumten sich auf und neigten sich, und die Straße floß mit gefährlicher Eintönigkeit auf Gunther zu. Er wackelte und zitterte in seiner notdürftigen Halterung. Nach einiger Zeit schmerzte sein Genick wegen der Anstrengung, den Kopf andauernd nach hinten zu halten, um zu beobachten, wie die flimmernde Straße unter der Vorderachse im Schatten verschwand, und seine Augen brannten von der schleichenden Wiederholung dessen, was sie sahen.
    Der Wagen wirbelte beim Fahren Staub auf, und die kleineren Teilchen waren ausreichend aufgeladen, um an seinem Anzug zu haften. In unregelmäßigen Abständen wischte er mit dem Handschuh den feinen grauen Film von seinem Visier und verschmierte ihn zu langen, dünnen Streifen.
    Allmählich sah er Trugbilder. Es waren harmlose Halluzinationen, längliche Flecken farbigen Lichts, die in sein Blickfeld waberten und wieder vergingen, wenn er den Kopf schüttelte und die Augen einen Moment lang fest schloß und sich konzentrierte. Doch jeder Augenblick der Erleichterung vom Druck des Sehens führte ihn in Versuchung, die Augen länger geschlossen zu halten, und diese Wohltat konnte er sich nicht leisten.
    Das erinnerte ihn daran, wie er seine Mutter zum letztenmal gesehen und was sie zu ihm gesagt hatte. Daß nämlich das Schlimmste am Witwendasein wäre, daß ihr Leben jeden Tag von neuem begänne, nicht besser als am Tag davor, immer noch mit dem unverminderten Schmerz über die unabänderliche Tatsache der physischen Abwesenheit ihres Mannes, deren Bewältigung sie keinen Schritt nähergekommen war. Es war nicht anders, als ob man gestorben wäre, sagte sie, insofern, als sich niemals etwas änderte.
    Ach Gott, dachte er, was ich hier tue, ist den Aufwand nicht wert. Dann rollte ein Stein von der Größe seines Kopfes hüpfend auf seinen Helm zu. Aufgeregte Hände rissen an den Hebeln herum, und Siegfried brachte den Wagen in ein wildes Schlingern, so daß der Stein weghüpfte und ihn nicht traf. Damit war dieser Gedankengang zumindest am Ende.
    Er schaltete seinen PeCe ein. ›Saint James' Infirmary‹ lief gerade. Das machte die Sache auch nicht besser.
    Los jetzt, du Mistkerl! dachte er. Du schaffst es. Arme und Schultern taten ihm weh und der Rücken ebenfalls, wenn er es sich recht überlegte. Perverserweise war ihm ein Bein eingeschlafen. In dem Winkel, in dem er den Kopf halten mußte, um die Straße im Blick zu haben, neigte sein Mund zum Aufklaffen. Nach einiger Zeit machte ihn eine kleine schwabbelnde Bewegung darauf aufmerksam, daß sich eine kleine Spuckepfütze in der Kerbe seiner Gesichtsplatte gebildet hatte. Er sabberte. Er schloß den Mund, schluckte den Speichel hinunter und starrte nach vorn. Eine Minute später merkte er, daß er es wieder tat.
    Langsam, traurig fuhr er in Richtung Weißkopf.

    DIE G5-ANLAGE WEISSKOPF war für ihre Sorte typisch: eine weiße Blasenkuppel, um die Temperaturschwankungen während des langen Mondtags zu mäßigen, ein hoch aufragender Turm mit Mikrowellen-Relais als Aufsichtseinrichtung und einhundert halbautonome Einheiten, um die Arbeit zu verrichten.
    Gunther schoß über die Zugangsstraße hinaus, steuerte zurück zu ihr und lenkte den Wagen direkt seitlich an die Fabrik. Er veranlaßte Siegfried, den Motor auszuschalten, und ließ danach das Fernbedienungsteil zu Boden fallen. Mehr als eine Minute lang hing er einfach so da, mit geschlossenen Augen, und genoß das Ende der Rüttelfahrt. Dann strampelte er sich aus den Gurten frei und kroch unter dem Anhänger hervor.
    Während Störgeräusche im Innern seines Kopfes knackten und knisterten, stolperte er in die Fabrik.
    In dem stillen Licht, das durch die Deckenkuppel hereinfiel, war die Fabrik düster wie eine Unterwasserhöhle. Das Licht seines Helms schien ebenso zu verzerren wie zu erhellen. Maschinen

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