Eines Tages geht der Rabbi
hat allerdings nichts mehr damit zu tun, wir haben schon neunundzwanzig verkauft, es läuft nur noch unter unserem Namen.»
«Das meine ich ja. Ein so bekannter Name …»
«Aber ich habe keine Organisation hinter mir.»
«Sie brauchen nur ein Wort zu sagen, und ich baue Ihnen die Organisation auf.»
Magnuson lächelte. «Sie verstehen zu überzeugen. Ich will Ihnen etwas sagen: Hören Sie sich ein bißchen um, geben Sie dem einen oder anderen einen Wink und berichten Sie mir anschließend. Danach treffen wir die Entscheidung.»
Belle Halperin wußte sich auf dem Heimweg gar nicht zu lassen vor Entzücken. «Sie haben einen Chagall und einen Seurat und im Schlafzimmer einen echten Renoir. Stell dir vor – im Schlafzimmer. Hat er dich wegen einer Rechtssache sprechen wollen?»
Ihr Mann schmunzelte. «Nein. Er möchte Präsident der jüdischen Gemeinde werden.»
«Präsident? Aber er hatte doch bisher überhaupt noch kein Amt bei uns. Geht denn das?»
«Warum nicht? Alle Gemeindemitglieder können sich zur Wahl aufstellen lassen, und Mitglied ist er ja.»
«Und er möchte, daß du den Wahlkampf für ihn führst.»
«Ja, so könnte man es sagen.»
«Meinst du, er hat Chancen? So unbekannt wie er ist?»
«Doch, das glaube ich schon, zumindest seinen Namen kennt jeder, und Millionäre haben alle gern.»
«Zahlt er dir was?»
«Davon war nicht die Rede.»
«Was hast du denn davon?»
«Ach, weißt du, wenn man mit Leuten Umgang hat, die gut betucht sind wie Howard Magnuson, fällt immer irgend etwas für einen ab.»
7
Die fünfundzwanzigjährige Laura Magnuson war nett anzuschauen, ja, sie war eine gutaussehende junge Frau, wenn auch nicht hübsch im landläufigen Sinne. Ihr Mund war eine Spur zu breit, ihre Nase ein wenig zu lang für den gängigen Geschmack – jedenfalls nach den Normen, die von den Fotomodellen auf den Titelseiten der Illustrierten gesetzt wurden. Der Blick war scharf und durchdringend, das Kinn verriet Entschlossenheit. Das schulterlange braune Haar trug sie in der Mitte gescheitelt und hinter die Ohren gekämmt in einer Frisur, die möglichst wenig Aufwand erforderte.
Sie hatte ihr Collegestudium in Bryn Mawr mit einem magna cum laude in politischer Wissenschaft abgeschlossen und danach drei Jahre an der London School of Economics studiert, war aber ohne Promotion wiedergekommen. Ihrem Vater, der sie anbetete, und ihrer Mutter, die ihr Verständnis entgegenbrachte, hatte sie das so erklärt: «Ich hatte das Gefühl, daß ich früher oder später im Hochschulbetrieb gelandet wäre, wenn ich meinen Doktor gemacht hätte, und das will ich nicht.»
«Ja, aber was willst du dann machen?» fragte ihr Vater.
«Mal sehen. Vielleicht irgendwas in der Verwaltung.»
Laura war jetzt seit zwei Monaten wieder daheim und hatte – jedenfalls in den Augen ihrer Eltern – überhaupt noch nichts gemacht. Ein paarmal war sie in New York gewesen, um neue Garderobe zu kaufen, ins Theater zu gehen, Bekannte und frühere Mitschüler zu besuchen. Die Magnusons hatten zwei oder drei Einladungen für sie in Barnard’s Crossing gegeben, damit sie neue Leute kennenlernen konnte, Söhne und Töchter von Freunden aus Boston. Tagsüber fuhr sie bei gutem Wetter spazieren, streifte in Rockport durch die Gemäldegalerien, setzte sich in Gloucester zum Essen an den Pier und sah den Möwen nach. Abends fuhr sie manchmal nach Boston oder Cambridge, wenn ein dort angekündigter Vortrag oder eine Versammlung sie interessierten.
Heute hatte sie sich vorgenommen, in Barnard’s Crossing zu bleiben, vielleicht ins Kino zu gehen oder einfach durch die Straßen zu schlendern, um sich mit der alten Stadt wieder vertraut zu machen. An der unitarischen Kirche fiel ihr Blick auf ein Schild: «Wahltreff! Lernen Sie Ihren Kandidaten kennen!»
Sie fuhr noch einen Block weiter, bis sie einen Parkplatz gefunden hatte, und ging dann zu der Kirche zurück. Die Veranstaltung fand in der Sakristei statt, die Platz für 200 Menschen bot. Als Laura wenige Minuten vor dem angekündigten Beginn eintraf, war sie erst halb voll.
In dem breiten Gang, der sich um den Raum herumzog, standen Klapptische mit dem Wahlkampfmaterial der einzelnen Kandidaten. An den Tischen saßen Wahlkampfhelfer, die Buttons, Autoaufkleber und dergleichen verteilten. Auf dem Podium waren fünfzehn Stühle für die Kandidaten aufgestellt, die in einem Nebenraum auf den Beginn der Veranstaltung warteten. Den Vorsitz hatte Herbert Bottomley, ein
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