Eines Tages geht der Rabbi
bieten hast.»
«Aber ich hab doch nichts zu bieten.»
«Klar hast du das. Du bist einer der Ihren. Du bist jung und sympathisch. Das mußt du rüberbringen. Für die Leute zählt nicht das, was sie hören, sondern das, was sie sehen, deshalb ist das Fernsehen ja auch dem Radio über. Du stellst dich einfach hin und läßt dich anschauen und redest irgendwelches Blabla.»
Laura sah, daß Scofield nervös war, und hatte ein bißchen Mitleid mit ihm. Er schenkte den Zuhörern ein verlegen-jungenhaftes Lächeln, dann lachte er nervös auf. «Ich bin John Scofield, 28 Jahre alt, unverheiratet, Anwalt mit einer Kanzlei in Salem», begann er. «Ich bin hier in Barnard’s Crossing geboren und habe mein ganzes Leben hier verbracht. Meine Familie ist seit der Kolonialzeit hier ansässig. Ich bin in die Gaithskills Grundschule und dann in die High School von Barnard’s Crossing gegangen, danach war ich in Harvard am College und habe hinterher in Harvard Jura studiert. Vielleicht war’s vor ein paar Jahren noch ein bißchen leichter, da reinzukommen. (Heiterkeit.) Ich liebe diese Stadt und ihre Bewohner.» Er nannte einige Straßen und Plätze und sprach von den besonderen Erinnerungen, die sich für ihn damit verbanden, erwähnte die Anlegestelle, Fremont Hill, Child’s Island. Das Füßescharren und Kratzen hinter ihm bedeutete, daß Bottomley aufgestanden war. Scofield überlegte krampfhaft, wie er seine kleine Rede zu Ende bringen sollte, und als er spürte, daß der Vorsitzende hinter ihm stand, kam ihm die Erleuchtung. «Ich will damit sagen, daß es mir hier so gut gefällt, wie es ist, und daß ich nichts daran ändern will. Gar nichts.»
Laura hatte den Eindruck, daß der Beifall für Scofield ein bißchen lauter und nicht ganz so unbeteiligt war wie für die anderen Kandidaten, aber das mochte auch daran liegen, daß er der einzige Kandidat aus Barnard’s Crossing war.
Es folgte die Vorstellung der Kandidaten für das Abgeordnetenhaus, die Laura Magnuson nicht interessierte. Doch sie blieb sitzen, weil sie mit Scofield sprechen wollte, schon um zu sehen, wie er aus der Nähe wirkte. Endlich war alles vorbei, und der Vorsitzende trat noch einmal ans Pult. «So, Leute, das war’s. Die Kandidaten haben sich vorgestellt, und alles in allem haben sie knapp über eine Stunde gebraucht, das war gar nicht so übel. Der eine oder andere von ihnen bleibt wohl noch ein bißchen hier und ist bestimmt gern zu einem lockeren Gespräch oder auch zu einer Diskussion bereit.»
Laura ging nach hinten, wo die Wahlkampfbroschüren lagen, weil sie damit rechnete, Scofield dort zu finden, aber wie sich herausstellte, lag für Scofield kein Material aus. Langsam ging sie zum Ausgang und kam fast zu gleicher Zeit wie er dort an.
«Das war eine zugkräftige Rede», sagte sie.
Überrascht blieb er stehen und sah sie an. «Finden Sie wirklich?»
Sie nickte nachdrücklich. «Sehr. Soll das Ihr Wahlkampfmotto werden?»
Er zerbrach sich vergeblich den Kopf darüber, was für ein Wahlkampfmotto wohl in seinen Worten gesteckt haben mochte. «Äh … was … ich meine … welchen Aspekt …»
Sie merkte, daß er keine Ahnung hatte, worauf sie hinauswollte, sich über die politische Wirkung seiner Worte überhaupt nicht klar gewesen war. «Sie sagten, daß Sie gegen Veränderungen sind.»
«Ach, wissen Sie, ich hab da eigentlich nur ausgesprochen, was mir gerade durch den Kopf ging.»
«Aber das ist es ja gerade», meinte Laura. «Die meisten Zuhörer hier sind im mittleren Alter oder älter. Und das gilt für die Wählerschaft ganz allgemein. Die Jugend will immer, daß alles anders wird, für die Älteren bedeuten Veränderungen nur Unruhe, sie haben Angst davor. Und deshalb waren die meisten sehr einverstanden, als Sie sagten, Sie wollten nichts ändern. Die Politiker tönen doch immer, daß sie alles anders machen werden. Die älteren Leute haben diese Versprechungen ihr Leben lang gehört und glauben nicht mehr daran. Oder aber sie haben festgestellt, daß die versprochenen Änderungen, wenn sie dann eintraten, gar nicht so segensreich waren, wie sie sich das vorgestellt hatten. Deshalb ist ein Wahlkampf, der sich gegen Veränderungen richtet, durchaus erfolgversprechend.»
«Sie scheinen ja sehr gut in der Politik Bescheid zu wissen. Sind Sie von der Presse?»
«Nein, es interessiert mich nur.»
«Könnten wir uns vielleicht irgendwo auf einen Drink zusammensetzen und darüber reden?»
«In Ordnung. Wohin? Das Café auf
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