Einfach bezaubernd
Miss Fortune, die auf der Stelle herausfinden wollte, was da vor sich ging. Und eventuell ausprobieren, ob sie gut genug geworden war, um einen Zauberer in einen Frosch zu verwandeln.
Nun blieben sie hier, anstatt sich in Sicherheit zu bringen. Eigentlich hätte sich Dee zu Tode ängstigen müssen. Am liebsten würde sie ihre Schwestern irgendwo packen und so schnell zur Tür hinausschleifen, dass nur eine Staubwolke bliebe. Und sie fühlte sich wirklich zu Tode geängstigt. Sie wusste besser als jeder andere, wen sie da gegen sich hatten. Die Wahrheit? Xan konnte sie alle wie Küchenschaben zerquetschen. Dazu musste sie nicht einmal persönlich hier erscheinen.
Aber, Herrgott noch mal, solange sie sich erinnern konnte, hatte Dee sich schon selbst immer gewünscht, mit dieser tückischen Schlange abzurechnen. Nur musste sie immer an die Mädchen denken. Immer sah sie ihre Mutter vor sich, die sie mit diesen großen Lizzie-Augen flehentlich anstarrte und sie bat, die beiden zu beschützen.
Es schien, dass das nun nicht mehr nötig war. Zumindest lag diese Aufgabe nicht mehr allein auf ihren Schultern. Was auch immer daraus wurde, es war also nun an der Zeit für sie, sich für den Ernstfall zu wappnen. Eine Sekunde lang lächelte Dee
sogar. Ein nahezu befreites Lächeln. Bis sie sich daran erinnerte, was sie zu tun hatte, um diesen Schlag vorzubereiten.
Sie hatte geglaubt, sie würde ihn nie wiedersehen. Dass sie, so schlimm die vergangene Nacht auch gewesen war, zumindest weit weg und in Sicherheit sein würde, bevor er kam und Erklärungen forderte. Sie hätte es sich gleich denken können. Seitdem Danny James an ihre Tür geklopft hatte, war nichts so verlaufen, wie es sollte.
Sie schlüpfte in ihre graue Strickjacke, griff sich ihre Tasche vom Tisch und wandte sich der Haustür zu. »Also dann mal los«, sagte sie mit gezwungenem Schwung zu sich selbst. »Bringen wir’s hinter uns.«
Und auch das hätte sie sich denken können. Kaum hatte sie die Tür aufgerissen, um hinauszumarschieren wie Sheriff Wyatt Earp auf dem Weg zum Duell, wurde sie zu einer Vollbremsung gezwungen.
»Ah, gut«, sprach Danny, der im weißen T-Shirt, seiner Fliegerjacke und seinen ältesten Jeans vor der Tür stand. »Ich hatte gehofft, dass du zu Hause bist.«
Dee merkte, dass sie ihn vollkommen fassungslos anglotzte. Aber was konnte man schon zu dem bestaussehenden Mann der Welt sagen, nachdem man in der vergangenen Nacht vor ihm davongerannt war? Tut mir leid. Ich wusste leider nicht, ob dir deine Mutter auch gefallen würde ? Nein. Das hieße, viel zu viel erklären zu müssen. Es war besser so ? Auch nicht. Dee fand, dass ihr die Casablanca -Masche nicht stand.
»Ja«, war alles, was sie schließlich herausbekam. »Hier bin ich.«
Sie konnte ihren Blick nicht von ihm wenden. Diese wundervollen klaren Augen, das gemeißelte Kinn und das silberne Glitzern über seinem T-Shirt. Diese unbeschwerte Art, mit sich selbst im Reinen zu sein und sich über jede Begegnung zu freuen, die allen Menschen ein Lächeln entlockte und ihr schier
den Atem nahm. Sie schien immer außer Atem zu sein, wenn sie in seiner Nähe war.
Sie war am vergangenen Abend vor ihm davongerannt. Und sie würde es bald wieder tun müssen oder ihren Verstand verlieren. Aber nicht jetzt gleich. Jetzt hatte sie eine Aufgabe zu erfüllen. Ja, darum ging es. Eine Aufgabe zu erfüllen, für ihre Schwestern.
Er lächelte. Natürlich. »Darf ich hereinkommen?«
Dee erstarrte. »Äh, nein.«
Er spähte über ihre Schulter hinweg, als erwartete er einen Vater mit dem Gewehr in der Hand. »Na ja, kannst du dann vielleicht herauskommen?«
Sie holte tief Luft und straffte sich. »Na klar«, antwortete sie. »Kann ich. Ich muss sowieso mit Ihnen sprechen.«
»Na so was Komisches. Du nimmst mir das Wort aus dem Mund.«
Dee versuchte ein Lächeln, aber sie wusste, dass es danebenging. Sie hatte das Gefühl, ihr Herzschlag wäre einen Block weit zu hören, so heftig pochte es in ihrer Brust. »Äh, da hinten im Garten steht eine Bank.«
»Sehr gut«, meinte er. »Ich finde es wunderbar, an einem schönen Tag mitten im Dschungel zu sitzen.«
Sie mussten sich wahrhaftig durch einen Dschungel von Rhododendron- und Fliedersträuchern und einer Glyzinie kämpfen, um zu der Bank zu gelangen, und Dee erspähte Pywackt, der im Schatten der Sträucher dahinschlich wie ein Raubtier, das er ja auch war. Zum Glück war die Bank von der Straße aus nicht zu sehen. Andererseits
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