Einfach bezaubernd
stand Grauen. Dee wusste Bescheid.
»Erinnerst du dich, diese Hexen, die auf dem Berg tanzten?«, fragte sie mit sanfter Stimme, und ihre Hand hielt ihn noch immer fest.
»Natürlich.«
»Hier ist die Stelle, wo man sie verbrannt hat.«
Danny schnappte nach Luft wie ein Fisch an Land. Er stieß ihre Hand beiseite, als hätte sie ihn gestochen, und stakte zu seinem Motorrad hinüber. »Das ist vollkommen lächerlich.«
Dee stand reglos. »Es gibt solche Kräfte, Danny. Meine Mutter
besaß starke Kräfte. Mein Vater weniger, aber Xan redete ihm ein, dass auch er sehr stark sei. Xan kann einem alles einreden. Sie hat dich mit ihrem Geflüster so sehr beeindruckt, dass du sogar dein verdammtes Motorrad nach ihr benannt hast, ohne dass du sie überhaupt je kennen gelernt hattest. Sie flüstert, und alles, was sie flüstert, glaubt man ihr. Meine Schwestern und ich haben auch solche Kräfte, und ich glaube, sie will sie für sich haben.«
»Mach dich nicht …«
»Lächerlich? Xan war heute Morgen wirklich nicht dort, Danny. Nicht in diesem Zimmer. Aber sie hat gemacht, dass du sie siehst. Und ihr glaubst.« Dee lächelte und schüttelte den Kopf. »Obwohl es scheint, als wäre ihr das nicht so ganz gelungen. Sie wird dich benützen, um uns zu kriegen. Und dann wird sie versuchen, unsere Kraft auszusaugen, um ihre eigene zu stärken. Sie ist ein Raubtier. Ein Fleischfresser. Ein mit übersinnlichen Kräften begabter Vampir.«
»Es gibt keine …«
»… übersinnlichen Kräfte? Doch, die gibt es. Und du solltest lieber anfangen, mir das zu glauben, denn du besitzt selbst welche.«
Zum ersten Mal sah sie, wie Danny wahrhaft zornig wurde. »Oh ja, ja, natürlich, genau das haben sie meiner Mutter dauernd erzählt. Jeder von diesen gottverdammten Strolchen. ›Glauben Sie einfach daran. Es gibt starke übersinnliche Kräfte, und ich habe sie. Ich bin ein Medium. Ich kann Ihnen sagen … Ich kann …‹«
Dee glaubte, ihr müsste das Herz brechen. »›… mit Ihrem Mann Verbindung aufnehmen.‹ Es war deine Mutter, die diesen Scharlatanen zum Opfer gefallen ist.«
»Und sie haben ihr jeden Pfennig, den sie besaß, aus der Tasche gezogen. Das ist alles ein verdammter Blödsinn, und je früher du das in deinen Kopf hineinkriegst, umso eher findest du
wieder in die Realität zurück und hörst auf, wegen idiotischer Fantasievorstellungen an die Decke zu gehen. Diese Frau, vor der du dich so fürchtest, ist nichts als eine mittelmäßige Schmierenkomödiantin.«
Mit sanfter Stimme fragte sie: »Und was ist mit den Stimmen, die du gerade gehört hast?«
»Meine Fantasie! Ich hab’s dir ja gesagt. Ich habe eine blühende Fantasie.«
»Danny, wenn du nur richtig zuhören würdest …«
Da wurde Danny James zum ersten Mal, seit Dee ihn kannte, unhöflich. Er drehte sich einfach von ihr fort und stieg auf sein Motorrad. »Nein«, sagte er nur und trat den Anlasser durch. »Das tue ich nicht.«
Und dann fuhr er davon, während sie allein auf einem kahlen Feld stand, das im aufkommenden Sturm raschelte.
»Lässt du ihn einfach so gehen?«, vernahm Dee da hinter sich.
Sie machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen. Diese Stimme kannte sie. Sie hatte sie jahrelang in Albträumen verfolgt.
»Hallo, Xan«, sagte sie und hoffte, dass ihre Stimme sie nicht verriet. Sie fühlte sich plötzlich wieder wie zwölf. »Ich habe mich schon gefragt, wann du dich endlich zeigen würdest.«
Genau im Mittelpunkt des Hexenverbrennungsfeldes. Wie passend.
»Darling, willst du mich nicht einmal ansehen?«
Dee konnte Danny nicht mehr sehen. Das Geräusch seines Motorrads war mit dem fernen Verkehrslärm verschmolzen. Alles, was blieb, war Xan. »Ich schaue Schlangen nicht an.«
Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann kam ein Seufzen. »Ach Dee.«
Dee musste sich umdrehen. Sie musste ihrem schlimmsten Albtraum ins Auge sehen, oder sie würde es nie schaffen. Sie hoffte nur, dass Xan nicht sehen konnte, wie sehr sie bis ins Innerste erschüttert war.
Jetzt oder nie …
Xan sah um keinen Tag älter aus. Elegant, schlank, das volle, rabenschwarze Haar in einem losen Knoten zusammengefasst, ein beigefarbenes Kleid von Chanel, massive goldene Ohrringe, die in dem trüben Tageslicht schimmerten. Sie sah aus, als wäre sie gerade aus einem Modesalon in der Madison Avenue gekommen – oder hinter der Bühne hervor, nach einer Stunde der magischen Kräfte bei den Fortunes . Dee sehnte sich danach, wegzulaufen. Und sie sehnte sich
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