Einfach bezaubernd
danach, zu kämpfen. Und sie sehnte sich danach, Gott helfe ihr, dass ihre Tante ihr Anerkennung spendete.
»Ein bisschen übertrieben, diese Klamotten für diese Gelegenheit, findest du nicht?«, bemerkte sie jedoch nur.
Xan streckte ihr die perfekt manikürten Hände mit den blutroten Nägeln entgegen, und Dee sah nur Krallen vor sich. »Stil ist nie falsch.« Xan lächelte. »Du siehst wunderschön aus, wie immer. Immer passend.«
Mit einer Geste ihres Kopfs wies Dee auf die strengen Linien der Kleidung ihrer Tante. »Glaubst du, so sehe ich mich selbst? Immer passend? Wie du?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich muss wohl ein paar von meinen grauen Kostümen wegwerfen.«
Seltsamerweise schien Xan sich darüber zu amüsieren. »Dann hätte ich dich wohl früher finden sollen. Aber es wird schön, dich wieder besser kennen zu lernen.«
»Streng dich nicht an«, meinte Dee abweisend. »Und jetzt, wenn’s dir nichts ausmacht, habe ich was zu erledigen.« Die Leute warnen, Mistgabeln und Fackeln besorgen …
Sosehr ihr Herz auch klopfte, Dee bemühte sich, gleichgültig
und uninteressiert zu wirken. Sie wandte sich ab und ging davon.
»Du willst es mir nicht leicht machen, nicht wahr?«, fragte Xan.
»Gibt’s irgendeinen Grund, warum ich das sollte?« Xan brauchte nicht zu wissen, dass ihre Handflächen schwitzten.
»Hast du mir denn wirklich nichts zu sagen, Deidre?«
Dee blieb stehen, den Blick fest auf den Kirchturm der Baptistenkirche gerichtet, die durch die Bäume hindurch zu sehen war. »Abgesehen von ›du heuchlerische, mörderische Giftschlange‹, nein, nichts. Absolut nichts.«
»Willst du nicht einmal wissen, warum ich hier bin?«
»Absolut nicht.«
Oh Gott, sie konnte förmlich hören , wie Xan hinter ihr lächelte. »Ob du es glaubst oder nicht, ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass du gewonnen hast.«
Nun, das veranlasste Dee zumindest, sich umzudrehen, wenn auch nur, um Xans Gesichtsausdruck besser einschätzen zu können. »Es war kein Spiel«, erklärte sie.
Xan kam einen Schritt näher. Das Gras schien sich unter ihren Füßen nicht einmal zu neigen. »Nein«, stimmte sie zu, »das war es nicht. Es war eine ernsthafte Meinungsverschiedenheit. Du hast nie begriffen, dass ich euch nie etwas angetan hätte, und ich konnte nicht glauben, dass du deine Familie so sehr absondern würdest, wie du es getan hast. Aber ich kann nicht leugnen, dass du dich all diese Jahre über gut um deine Schwestern gekümmert hast. Das hast du wirklich gut gemacht, Dee. Sie sind außergewöhnliche Frauen geworden.«
Dee fand nicht genug Luft, um zu antworten. Wie machte sie das nur? Wie konnte sie nach all diesen Jahren so genau wissen, wo Dees Schwachstelle war? Sie sagte genau das, was Dee schon immer so sehnlich gern gehört hätte, immer wenn sie sich klein, egoistisch und unzufrieden fühlte. Nur einen einzigen
Menschen zu haben, der zu schätzen wusste und sie einmal dafür lobte, was sie getan hatte.
Und das musste ausgerechnet Xan sein. Verdammt, verdammt, verdammt .
»Das sind sie«, versetzte Dee, »und zwar ohne dich.«
»Und ob du’s nun glaubst oder nicht, ich will dir dafür danken. Ich liebe sie auch.« Xan betrachtete sie einen Augenblick lang offensichtlich abwägend. »Ich werde deine Intelligenz nicht damit beleidigen, dass ich versuche, dir einzureden, es hätte nie irgendwelche Feindseligkeiten zwischen uns gegeben, Dee. Du hast wirklich Grund dazu, mir mein Verhalten in all den Jahren damals vorzuwerfen.«
Dee stand reglos, wie gebannt. »Du meinst die Kleinigkeit, dass du meine Eltern ermordet hast?«
Xan winkte lässig elegant ab, als hätte Dee einen Grammatikfehler begangen. »Nein, meine Liebe. Ich habe niemanden ermordet. Sie hatten einfach nicht das Durchhaltevermögen für den Gefallen, den sie von mir erbaten. Sie wollten ihre Macht abgeben. Sie hatten sie missbraucht, und sie dachten, das sei eine angemessene Bestrafung. Ich … habe mich ihrem Wunsch gefügt.«
»Und sie sind daran gestorben.«
»Nun ja …«, seufzte Xan und runzelte tatsächlich die Stirn. »Ja. Ich fürchte, ich war damals noch nicht so geübt. Ich habe mich nicht rechtzeitig zurückgezogen. Ich war vollkommen überrascht. Und ich habe damals wahrhaftig eine schreckliche Lektion gelernt.«
»Ja. Wie man ein Verbrechen verschleiert.«
»Das Urteil lautete ›Tod durch Unfall‹, Deidre.« Ihre Stimme klang schrecklich sanft und verständnisvoll. Dee verspürte den Wunsch, etwas zu zerbrechen.
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