Einfach ein gutes Leben
bekannt. Und wieder sind es Motive, die sich zusammenfügen zu einem Gegenbild zu dem kapitalistisch-marktwirtschaftlich organisierten Grundpfeiler alltäglicher Existenz, der Güterversorgung durch Erwerbsarbeit und Konsum. Wie schon die Selbstversorgung stellt sich auch Eigenarbeit diesem Grundmodell skeptisch gegenüber. Die Eigenarbeiter beziehen durch ihr praktisches Tun Stellung zu Erwerbsarbeit und Konsum. Sie treibt es wie ihre Geschwister im Geiste, die Selbstversorger, heraus aus dem Herkömmlichen. Elisabeth Redler sagt über die Kunden des HEi: »Bei uns haben sie das Gefühl, überhaupt eine Perspektive zu haben, auf etwas hinzuarbeiten, tätig zu sein, statt sich abhängig zu fühlen.«
Selbstversorgung mit Lebensmitteln und Selbstversorgung mit Gebrauchsgütern sind grundsätzlich sehr ähnliche Tätigkeiten und mit vergleichbaren Zielen und Effekten verknüpft. Tätig zu sein und sich unabhängig zu fühlen liegen bei beiden im Fokus. Oft sind Selbstversorger gleichzeitig (zumindest dann und wann) mit Eigenarbeit beschäftigt, sei es nur, dass sie kleine Reparaturen ohne fremde Hilfe erledigen (was durchaus schon zur Eigenarbeit gerechnet werden muss). Für die Protagonistinnen des Subsistenzansatzes wie Maria Mies oder Christa Müller gehört Eigenarbeit auch ganz klar zur Subsistenzproduktion. Das ist nur folgerichtig: Der Weg zum guten Leben führt vielleicht durch den Selbstversorgergarten, aber er endet nicht an dessen Tor. Die ganze Fülle eines guten Lebens erschließt sich uns erst, wenn im Gesamt unserer Tätigkeiten und Lebensbereiche unsere Grundbefähigungen zum Tragen kommen. Dementsprechend umfasst auch der Subsistenzansatz sowohl die Selbstversorgung als auch die Eigenarbeit (und noch mehr, nämlich den Gütertausch, wie wir gleich sehen werden).
Im heutigen Modus der Güterproduktion und -versorgung wird Subsistenz umfassend abgewertet, mithin auch die Eigenarbeit. Die Produktion (egal ob von Feldsalat, Sitzmöbeln oder Oberbekleidung) ist gänzlich entsprechend der gesellschaftlichen Arbeitsteilung aufgespalten und delegiert an spezialisierte Professionen. Die Distanzierung von Produktionsinstanz zu Güterabnehmern wird zusätzlich noch erhöht durch die Art und Weise der Verteilung der Güter. Sie ist dem Handel vorbehalten, der den geldvermittelten Tausch organisiert und im Wesentlichen über die Palette der zu verteilenden Güter bestimmt (die damit zur Ware werden). Der Abnehmer der Güter tritt darin als Konsument auf, der sich ausreichende Mengen Geldes verschaffen muss, um seine Funktion erfüllen zu können. Sicher: Die Konsumenten würden die Situation nicht als »Abwertung von Subsistenz« bezeichnen. Dennoch stinkt sie ihnen mehr und mehr, denn sie spüren, dass mit der Ignoranz gegenüber der Subsistenz auch ihre fundamentalen Bedürfnisse als Menschen deklassiert werden. Ihr Können und ihr Potenzial werden nicht abgerufen, sie haben keine Möglichkeiten, ins Leben zu treten, und verkümmern. Die Menschen ahnen allmählich, dass sie in einer Welt des Überflusses im Grunde genommen zu kurz kommen. Subsistenz, so dämmert ihnen, ist der eigentliche Überflussspender.
Tauschen, schenken, gewinnen
Lebensmittel lassen sich also gut mit eigener Hand herstellen – »Lebens-Mittel« (gemäß des Subsistenzansatzes) im weitesten Sinne, also auch solche, die nicht verzehrt werden, aber zu einem erfüllten, erfolgreichen, gelingenden Leben beitragen und insofern ebenfalls Notwendigkeiten sind. Fahrräder zum Beispiel. Die Selbstversorgerinnen und Eigenarbeiter schaffen oft eine ganze Menge in dieser Richtung, zum Teil staunen sie ja sogar selbst darüber, was alles möglich wird, sobald sie sich auf das Experiment Subsistenz eingelassen haben. Nichtsdestotrotz: Alles herzustellen, was man benötigt und haben möchte, ist eine Aufgabe, die schnell die individuellen Möglichkeiten übersteigt. Man kann vielleicht alles kaufen (nein, auch das nicht), aber nicht alles selber machen. Das liegt zum Teil an den eigenen Kapazitäten, zum Teil an den Rahmenbedingungen, aus denen man nur schwerlich komplett heraustreten kann (und will). Giann und Vanella, die in puncto Selbstversorgung schon sehr konsequent sind, beziehen immer noch Strom durch den Energieversorger, führen Steuern und Gebühren ab und müssen Ärzte bezahlen. Dafür brauchen sie Geld, wenn auch vergleichsweise wenig. Lebensmittel, die sie nicht auf ihrem Hof herstellen, tauschen sie mit anderen Bauern, auch in diesem
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