Einfach ein gutes Leben
zwei Jahrzehnten noch nicht vorstellbar war. Drucker drucken nicht mehr nur auf Papier, sondern mittlerweile dreidimensional, selbstredend auch nicht mehr mit Tinte, sondern mit Kunststoff, der Schicht für Schicht übereinandergelegt wird. 3-D-Drucker sind Minispritzgussmaschinen, die Kunstharzteile von geringer Größe in beliebiger Menge produzieren können. Bislang sind sie dem Prototypenstatus allerdings kaum entwachsen. Die ersten Geräte, die so erschwinglich sind, dass sie auch für den Hausgebrauch interessant wären, kommen gerade auf den Markt.
Bis dato war »Fabbing«, die Eigenarbeit mit digitalen Produktionsmitteln, noch ressourcenstarken Forschungslaboratorien vorbehalten. Ursprünglich kommt die Idee aus Amerika. Das erste deutsche »FabLab« steht seit Dezember 2009 in den Labors der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen. Dort erprobt man Fabbing in vielerlei Facetten. Die Aachener haben einen Fräsbohrplotter zur Fertigung von Leiterplatten, eine Lasergravier- und Schneidemaschine sowie eine Paneelsäge für Holz und Metall angeschafft und ihr Labor damit zu einem Haus der Eigenarbeit in futuristischer Gestalt vervollständigt. Die Geräte werden digital angesteuert und sind untereinander vernetzbar. Das Herzstück des Selbstmachlabors ist der 3-D-Drucker. Er kann Teile von immerhin maximal 20 mal 20 mal 30 Zentimetern spritzen, je größer und komplexer die Form, desto länger braucht er – von 60 Minuten bis zu über 30 Stunden. Welche Form geprintet werden soll, wird dem Drucker über eine spezielle Software übermittelt, mit der das gewünschte Teil konstruiert werden kann. Programme wie Blender oder Google Sketchup sind sogar kostenlos zu bekommen. Und das ist ein weiteres entscheidendes Markenzeichen des Fabbing schlechthin: Maschinen, Software und Know-how sollen öffentlich frei zugänglich sein, damit jedem, nicht bloß ein paar ausgesuchten Spezialisten, die digitale Eigenarbeit offensteht. Gemäß dem Open-Source-Credo ist auch das FabLab der RWTH für die Öffentlichkeit zugänglich und der Besuch auch erschwinglich. Die Benutzung des 3-D-Druckers kostet zehn Euro für die einmalige Einrichtung der Druckerplattform plus 30 Cent pro Kubikzentimeter verbrauchtem Material. 58
Fabben kann man nach dem aktuellen Stand der Technik alle kleinen bis mittelgroßen Teile, deren Form nicht zu komplex ist. Statt lediglich die Farbe auszusuchen, könnte unsere Nutzerin also ihre Handyoberschale in der Hightech-Selbermacherwerkstatt gleich komplett selbst herstellen und hätte damit genau das Produkt, das sie sich wünscht. Lampen, Besteck, CD-Hüllen, Rechnerhardware, ein halber Haushalt lässt sich mit Fabbing-Maschinen plotten, schneiden und stanzen. Laserscanner können jede beliebige Form exakt und dreidimensional vermessen, sodass potenziell alles in Datensätze umgewandelt und reproduziert werden kann. Und warum sollten in Zukunft nicht auch größere Teile aus den verschiedensten Materialien möglich sein? Metallplotter sind bereits zu haben.
FabLabs sind freie Produktionsstätten für Nutzer mit einem Interesse an eigenständiger Produktion oder »für Stadtteile oder Communitys, die Dinge produzieren wollen, die zuerst lokale Bedürfnisse erfüllen oder die Unikate sind. Und die Träume bleiben, weil es für sie keinen Markt gibt und eine herkömmliche industrielle Fertigung unbezahlbar wäre«, schreibt Niels Boeing, der gerade gemeinsam mit einigen Mitstreitern in Hamburg ein FabLab gründet. Nachdem zuerst eine mobile Werkstatt, das FabMobil, St. Pauli in die Möglichkeiten des Fabbing eingeführt hat, ist man nun mitten in der Gründungsphase des ersten Hamburger Labs angekommen. 59 Die Vision der Gruppe ist die »Stadt als Fabrik«. Sie will damit jedoch nicht das Bild eines neuen Manchester evozieren, mit einem rauchenden Schlot an jeder Straßenecke. »Fabrik« muss hier mit »Produktionsort« übersetzt werden oder besser »-orten«, denn Fabbing bietet die Chance, die Technologie für eine universelle Form der Eigenarbeit in jeden Haushalt zu holen. Eine verteilte Produktion, die nicht länger ausschließlich von spezialisierten Herstellern abhängt, ist technisch und finanziell in Reichweite. Jeder könnte sich relativ leicht (Kompetenz in der Fabbing-Software vorausgesetzt) mit Produkten für das alltägliche Leben versorgen, sie sogar in größerer Zahl herstellen und damit selbst zu einem Versorger für das betreffende Produkt werden. Wir sind auf
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