Einfach ein gutes Leben
wer immer will und die Zeit für Muße ebenfalls gekommen sieht, Texten zum Thema lauschen, zum Beispiel dem von Ernst Bloch:
»Dass es so leicht ist, nichts mehr tun zu wollen.
Dass es uns so schwerfällt, wirklich nichts zu tun.
Auch dann, wenn nicht, wie meist, die Not treibt.
Auch dort, wo ein Urlaub überdies erlauben mag zu gähnen.«
Bosslos glücklich
Die Glücklichen Arbeitslosen und Otium werten Arbeit radikal um. Die Mitglieder der Bremer Mußeinitiative bleiben zwar in der Regel in ihren Jobs, gewichten den Beruf allerdings quer zu den Prioritäten, die ihre jeweiligen Kolleginnen setzen. Sie setzen das Maß bei ihrer Lebenszeit an, wie die Glücklichen Arbeitslosen auch, die sie möglichst würdevoll und für sich produktiv verbringen wollen.
Man kann jedoch nicht verhehlen, dass eine freiwillige Reduzierung der Arbeitszeit, um mehr Stunden für die frei gewählten Tätigkeiten zu haben, bis dato nur einem kleinen Teil der Erwerbstätigen offensteht. Zuerst müsste einmal der Arbeitgeber mitspielen. Selbst wenn er das täte, bliebe noch die Herausforderung, mit einem beschnittenen Gehalt auskommen zu müssen, was in manchen Berufen sicher leichter fällt als in anderen. Sofern die Alternativen zur Alimentierung (die ja durchaus in der Selbstversorgung bestehenkönnten) nicht gleich vor der Haustür wachsen, bräuchte es dann ein gutes Maß an Eigeninitiative und – wie schon häufiger betont – Mut. Die Reaktion, die jedoch am ehesten zu erwarten ist, wenn die Geldbörse schrumpft, ist Angst. Sei die Entscheidung noch so freiwillig, jede Regung von der gelinden Unruhe bis zur nackten Panik wäre bei einer so umwälzenden Veränderung nur verständlich. Die beharrlich vorherrschende Erwerbsorientierung hat mithin einen sehr praktischen Grund in der Existenzsicherung und der Angst, darin zu scheitern.
Gegeben, die Arbeitswelt verändert sich nicht entscheidend, wollen die Arbeitnehmer doch Arbeitnehmer bleiben. Alle? Nein! Ein von unbeugsamen Mitarbeitern bevölkerter Betrieb in Offenbach hört nicht auf, dem Üblichen Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die 08/15-Unternehmen, die als Mitbewerber auf dem gemeinsamen Markt liegen, denn (und hier endet das Asterix-Zitat): Der Betrieb hat keinen Chef.
CPP hat vor Kurzem sein 20-jähriges Firmenjubiläum gefeiert. In den zwei Dekaden seines Bestehens hat sich das Unternehmen mit seinen jetzt rund 30 Mitarbeitern von einem Anbieter für relativ hausbackene Veranstaltungstechnik (Flipcharts, Beleuchtung, Tontechnik und so weiter) zu einem profilierten Gestalter und Dienstleister für multimediale Unternehmenskommunikation auf höchstem technischem Niveau gemausert. Mit seinen Ausstellungsobjekten war CPP bereits auf der EXPO 2000 und für IBM auf der CeBIT vertreten. Zu den Technologien, die die Firma meistern kann, gehören neueste Anwendungen holografischer Displays oder sphärischer 3-D-Projektoren.
Das Besondere aber ist vor allem anderen die Form der Geschäftsführung, die sich CPP gegeben hat. Zwar sind zwei der Kollegen in formal geschäftsführender Position. Sie tragen auch das unternehmerische Risiko und haften mit ihrem Privatvermögen. Aber: Alle firmenrelevanten Entscheidungen von der Einstellung neuer Mitarbeiter oder der Übernahme von Lehrlingen bis zur Annahme eines Auftrages oder der Einführung unvertrauter technischer Apparate werden gemeinsam von allen 30 Mitarbeitern getroffen. Das heißt: Betriebsversammlungen sind bei CPP die Regel und nicht die Ausnahme. Wann immer es einen Entschluss zu fassen gibt, der nicht die alltägliche Routine betrifft, ist der gesamte Betrieb daran beteiligt.
Gernot Pflüger ist einer der beiden geschäftsführenden Mitarbeiter. Er hat die Idee der cheflosen Firma wesentlich mit vorangetrieben. Kurz vor dem Firmenjubiläum hat er seine Motive, Gedanken und Erfahrungen in dem Buch Erfolg ohne Chef aufgeschrieben. 79 Es liest sich in der Selbstverständlichkeit, in der Pflüger über eine an sich bilderstürmende Idee schreibt, wie ein Ellbogenknuff in die kurze Rippe des Kapitalismus: Warum die Aufregung, so geht’s doch auch!
Pflügers Credo ist die weitestmögliche Transparenz. Das bedeutet, dass alle Betriebsabläufe bei CPP so durchsichtig gehalten werden, dass prinzipiell jeder Einzelne über alles Wichtige informiert ist, das die Firma betrifft. So wird zum Beispiel die Kassenlage stets offengehalten. Wer will, kann zu jeder Zeit Einblick in Ausgaben und Einnahmen
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