Einfach ein gutes Leben
zur Folge hat. Diejenigen, die die Mieten nicht mehr aufbringen können, ziehen fort. Der freie Wohn- oder Nutzraum kann weiter aufgewertet oder gleich an Statushöhere und damit »interessantere« Kunden vermietet beziehungsweise verkauft werden. 154
Die Verdrängten gehören oft zu den sogenannten A-Gruppen, die nur schwer eine neue Wohnung finden: Arbeitslose, Arme, Ausländer und Alleinerziehende. Sie wandern ab in die Randbezirke, ein Prozess, der – sollte er anhalten – die Spaltung der Stadt in einen reichen Kern mit einem Armutsgürtel rundherum befördern wird. In Hamburg – genau wie in anderen Großstädten – verschlimmert sich die Situation der A-Gruppen zusätzlich dadurch, dass der soziale Wohnungsbau drastisch zurückgefahren wurde und Wohnungen aus dem Besitz der öffentlichen Hand an private Bieter verkauft wurden. »Was natürlich dazu führt, dass du Nutzungskonzepte bekommst, die versuchen, möglichst viel Kohle rauszuziehen, es geht um Rendite«, sagt Niels Boeing. Möglichst viel Kohle rausziehen statt Leuten bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen: Genau diese Haltung bringt die Protestinitiativen auf die Barrikaden.
Die Städte beteiligen sich mit gezieltem Eingreifen verstärkt seit etwa Mitte der 90er-Jahre als Akteure an der Gentrifizierung. Die globale Konkurrenzsituation hatte auch die Metropolen (und die Orte, die Metropole werden wollen) erfasst und stachelte sie zu einem forcierten Wettbewerb um die raren Plätze am Licht an. Hamburgs sichtbare Konzession an den Struggle for Life zum Survival of the Hippest ist die laufend erweiterte Elbfront, ein gigantisches Sanierungsprojekt, das das gesamte Nordufer der innerstädtischen Elbe von der »Hafencity« im Osten bis über die Hafenstraße in Altona hinaus umschließt. Man will die Innenstadt mit einer glänzenden Schaufassade einkleiden, damit jeder auf den ersten Blick an Hamburgs Potenz glaubt. Ein Balzkleid für die City, ausstaffiert mit den weltweit akzeptierten Schmuckfedern. »Da machen wir dann eine attraktive Umgebung« sei der Leitsatz, ärgert sich Niels Boeing. »Ob das die Docklands in London sind oder das Albertdock in Liverpool, das war eine der ersten von diesen Hafenumbauten in Europa, 1992 schon fertig. Das ist alles supersteril, wie die Hafencity. Ich glaube nicht, dass es da ein richtig durchdachtes Konzept gibt. Starbucks ist dann für die Verantwortlichen Teil von einem städtischen Flair. Ich glaube, die empfinden das tatsächlich so.«
Das »Städtische« soll Investoren anlocken, die wiederum darauf hoffen, dieses besondere Fluidum möge auf sie selbst abfärben und dank seines Sex-Appeals Verkäufe fördern helfen. Dafür nutzen sie auch das, was an Fluidum bereits da ist. »Die Investoren wollen ja nicht einfach den Platz«, analysiert die Wochenzeitung Freitag , »sie wollen ›Urbanität‹. Ihre blumigen Anpreisungen sind voll davon, dass sie das verkaufen wollen, was die unmittelbaren Produzenten – die ursprünglichen Bewohner des Viertels und ihre Vorgänger – hergestellt haben.« 155 Die Unternehmen suchen urbanes Flair. Sie finden es vor allem in den lebendigen, vielgestaltigen Stadtvierteln mit einer Tradition von urbanem Flair wie zum Beispiel St. Pauli oder Berlin Friedrichshain. Also setzen sie die Gentrifizierungsbrechstange an: Das Alte muss raus, das Flair bleibt, wird genutzt, und wenn es abgenutzt ist, findet sich schon wieder ein neues, hippes Quartier.
Günstig ist es da, wenn in dem anvisierten Viertel bereits ein paar »Kreative« wohnen und arbeiten: Künstler, Designer oder Journalisten zum Beispiel. Sie fühlen sich mittlerweile als gern gesehene Gentrifizierungsobjekte, was wohl nicht abwegig ist, da sie die Hippness schon mitbringen, die benötigt wird. Mit ihnen läuft es also am glattesten: »Kreative« bringen den Chic. Holt man noch mehr von ihnen dazu, indem man ihnen zum Beispiel günstige Ateliers anbietet (deren Vormieter natürlich zuerst weichen müssen), kommt noch mehr Chic, das Viertel steigt im Wert, wird baulich aufgewertet, steigt noch mehr im Wert. Irgendwann wird der Wohn- und Arbeitsraum für die »Kreativen« schließlich zu teuer, da sie meistenteils ohnehin an der existenziellen Kante leben (siehe die Arbeitssammler in Kapitel 4). Sie ziehenweg, wahrscheinlich zu den Arbeitslosen an den Stadtrand.
Die Initiative »Not in our name, Marke Hamburg«, ebenfalls Teil des »Recht auf Stadt«-Netzwerkes, wehrt sich gegen die Ausnutzung der
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