Einfach göttlich
der Exquisitor, wenn die Inquisitoren fertig sind…
»Nein, von einer Amphore. Der Grund: Tuvelpit weilte im Publikum.«
»Und es ist angemessenes göttliches Verhalten, mit Amphoren nach ehrlichen Menschen zu werfen?«
»Dein Missionar stellte den Leuten, die nicht an Om glaubten, schreckliche Strafen in Aussicht. Diesen Hinweis empfanden die Zuhörer als unhöflich.«
»Und deshalb warfen sie mit Steinen.«
»Nur einige wenige. Sie verletzten nur seinen Stolz. Und außerdem kam es dazu erst, als kein Gemüse mehr zur Verfügung stand.«
»Man warf mit Gemüse?«
»Ja. Als die Bürger keine Eier mehr fanden.«
»Und als wir dagegen protestierten…«
»Eure sechzig Schiffe kamen sicher nicht nur, um zu protestieren«, sagte der Tyrann. »Wir haben dich gewarnt, Diakon Vorbis. Fremde finden das in Ephebe, was sie suchen. Wir überfallen die Orte an eurer Küste. Wir greifen eure Schiffe an. Bis ihr den Friedensvertrag unterzeichnet.«
»Was ist mit der Möglichkeit, durch Ephebe zu reisen?« fragte Vorbis.
Der Tyrann lächelte.
»Auf dem Landweg? Mein lieber Diakon: Wenn ihr in der Lage seid, die Wüste zu durchqueren – dann könnt ihr jeden beliebigen Ort erreichen.« Der Herrscher von Ephebe wandte den Blick von Vorbis ab und sah zum Himmel, der sich zwischen den Säulen zeigte.
»Es ist fast Mittag«, stellte er fest. »Und es wird immer heißer. Bestimmt möchtest du unsere, äh, Vorschläge mit deinen Begleitern erörtern. Sollen wir unser Gespräch heute abend fortsetzen?«
Vorbis erweckte einige Sekunden lang den Anschein, als dächte er nach.
»Ich glaube, die Diskussion könnte mehr Zeit in Anspruch nehmen«, sagte er schließlich. »Wie wäre es, wenn wir unser zweites Treffen… auf morgen früh anberaumen?«
Der Tyrann nickte.
»Wie du wünschst. In der Zwischenzeit steht der Palast zu eurer Verfügung. Hier gibt es viele Tempel und Kunstwerke, die euch vielleicht interessieren. Wenn ihr etwas essen möchtet, so wendet euch an den nächsten Sklaven.«
»›Sklave‹ ist ein ephebianisches Wort«, meinte Vorbis. »In der omnianischen Sprache existiert es überhaupt nicht.«
»Davon habe ich gehört«, entgegnete der Tyrann. »Ich schätze, ebensowenig haben Fische ein Wort für Wasser.« Er zeigte wieder sein flüchtiges Lächeln. »Ich sollte vielleicht auch die Bäder und die Bibliothek erwähnen. Ja, bei uns gibt es viel Sehenswertes. Ihr seid unsere Gäste.«
Vorbis neigte kurz den Kopf.
»Ich hoffe, dich eines Tages als meinen Gast begrüßen zu können.«
»Wer weiß, was ich dann bewundern darf«, kommentierte der Tyrann.
Brutha stand auf und stieß dabei die Sitzbank um. Verlegenheit färbte ihm die Wangen.
Das mit Bruder Murduck stimmt überhaupt nicht, dachte er. Man hat ihn erst geschlagen, dann verprügelt und anschließend gnadenlos gesteinigt – so behauptet es Vorbis. Und Bruder Nhumrod meint, er hätte die Leiche gesehen, und alles sei wahr. Man hat ihn umgebracht, nur weil er zu den Leuten sprach! Wer zu so etwas fähig ist, verdient… Strafe. Außerdem gibt es in Ephebe Sklaven. Menschen, die zur Arbeit gezwungen werden, die man wie Tiere behandelt. Und die Ephebianer bezeichnen ihre Herrscher als Tyrannen!
Warum ist trotzdem alles anders, als es zunächst zu sein scheint?
Warum fällt es mir so schwer, Vorbis zu glauben?
Warum weiß ich, daß jene Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen?
Und was hat es mit den Fischen auf sich, die kein Wort für Wasser haben?
E phebianische Soldaten führten – beziehungsweise eskortierten – die Omnianer zu ihren Unterkünften zurück. In Bruthas Zimmer stand wieder eine Schale mit Obst auf dem Tisch; daneben lagen Fisch und Brot auf einem Teller.
Ein Mann fegte.
»Äh«, sagte Brutha. »Bist du ein Sklave?«
»Ja, Herr.«
»Das muß schrecklich sein.«
Der Mann stützte sich auf den Besen. »Ja, das stimmt. Es ist schrecklich. Geradezu gräßlich. Wußtest du, daß ich nur einen Tag pro Woche frei habe?«
Brutha hatte noch nie von »freien Tagen« gehört und konnte sich auch nichts darunter vorstellen. Er nickte verwirrt.
»Warum läufst du nicht weg?« fragte er.
»Oh, das passiert ab und zu«, lautete die Antwort. »Einmal bin ich weggelaufen und hab’ mich in Tsort umgesehen. Aber da gefiel’s mir nicht besonders, also kehrte ich wieder zurück. Wie dem auch sei: Jeden Winter laufe ich für zwei Wochen weg. Dann geht’s nach Djelibeby.«
»Bringt man dich zurück?« fragte Brutha.
»Ha!«
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