Einfach göttlich
gegeben hast, funktioniert angeblich nicht mehr.«
Didaktylos kratzte sich am Kopf.
»Welches Sprichwort?« fragte er.
»Es lautet: ›Vor dem Morgengrauen ist es am dunkelsten.‹«
»Oh, damit ist alles in bester Ordnung. Ausgezeichnete Philosophie.«
»Aber Frau Bylaxis fühlt sich trotzdem nicht besser. Außerdem blieb sie wegen des schmerzenden Beines die ganze Nacht auf, und dabei stellte sie fest, daß es vor dem Morgengrauen nicht am dunkelsten ist. Und die Schmerzen im Bein blieben. Als Entschädigung gab ich ihr ›Es tut gut zu lachen‹.«
Didaktylos’ Miene erhellte sich ein wenig.
»Das brachte alles wieder ins Lot, wie?«
»Frau Bylaxis will’s ausprobieren. Sie gab mir einen getrockneten Tintenfisch dafür. Und sie meinte, ich sähe aus, als könnte ich etwas zu essen gebrauchen.«
»Na bitte, Urn. Allmählich lernst du, worauf es ankommt. Das heutige Mittagessen wäre gesichert. Ich habe dir ja gesagt, früher oder später würde es klappen. Wenn wir geduldig sind und durchhalten.«
»Ein getrockneter Tintenfisch und eine Schachtel mit verfaulten Oliven können nicht unbedingt als hohes Einkommen bezeichnet werden. Zumindest dann nicht, wenn man dafür zwei Wochen lang denken muß.«
»Wir haben drei Obolusse für das Sprichwort bekommen, das Grillos der Schuster von uns erhielt.«
»Nein, wir bekamen sie nicht. Der alte Grillos brachte das Sprichwort zurück. Weil seine Frau nichts davon hielt.«
»Und du hast ihm das Geld gegeben?«
»Ja.«
»Was, etwa die ganze Summe?«
»Ja.«
»So etwas dürfen wir nicht einreißen lassen. Wir können nicht das gesamte Honorar erstatten, wenn die Worte schon ein wenig abgenutzt sind. Welche Weisheit ließen wir uns für ihn einfallen?«
»›Eine kluge Krähe weiß, in welche Richtung das Kamel deutet.‹«
»Da steckt eine Menge Arbeit drin.«
»Grillos meinte, einen solchen Satz könnte er nicht verstehen.«
»Ich verstehe auch nichts von der Schusterei, aber trotzdem bin ich imstande, gute Sandalen von schlechten zu unterscheiden.«
Om blinzelte. Dann konzentrierte er sich auf die Selbstsphären der beiden Männer und betrachtete sie.
Urn – vermutlich der Neffe – hatte ein recht normales Bewußtsein, auch wenn es darin mehr Kringel und Ecken gab als im Geist anderer Menschen. In Didaktylos’ Bewußtsein hingegen blubberte und blitzte es wie in einem Kochtopf mit Zitteraalen. So etwas sah Om zum erstenmal. Bruthas Gedanken brauchten Äonen, um neue Gestalt anzunehmen – genausogut konnte man beobachten, wie Berge kollidierten. Bei Didaktylos zuckten die Gedanken hin und her, so schnell, daß sie nur vage Schemen bildeten. Kein Wunder, daß er eine Glatze hatte: Das Haar wäre bei ihm von innen her verbrannt.
Om wußte: Er hatte einen Denker gefunden.
Und zwar einen billigen, wenn der Schein nicht trog.
Er sah zur Wand hinter dem Faß. Auf der einen Seite führten breite Marmorstufen zu einer Tür, über der metallene Buchstaben im weißen Stein folgende Botschaft verkündeten: LIBRVM.
Einige Sekunden lang schenkte Om der unmittelbaren Umgebung keine Aufmerksamkeit mehr, was sich als Fehler erwies. Urns Hand packte ihn am Panzer, und Didaktylos sagte: »He… die Biester sollen gut schmecken…«
B rutha duckte sich.
»Ihr habt unseren Gesandten gesteinigt!« rief Vorbis. »Einen unbewaffneten Mann!«
»Er wollte es nicht anders«, erwiderte der Tyrann. »Aristokrates hat alles beobachtet. Er kann uns schildern, was geschehen ist.«
Der hochgewachsene Mann nickte und stand auf.
»Die Tradition erlaubt es jedem, auf dem Marktplatz zu sprechen«, sagte er.
»Und gesteinigt zu werden?« fragte Vorbis scharf.
Aristokrates hob die Hand.
»Auf dem Marktplatz darf jeder sagen, was er will. Nun, bei uns gibt es eine andere Tradition namens ›freies Zuhören‹. Und wenn den Leuten nicht gefällt, was sie hören… Dann ärgern sie sich manchmal.«
»Ich war ebenfalls dabei«, meldete sich ein anderer Berater. »Der omnianische Priester sprach zu den Leuten, und zuerst war alles in Ordnung, weil die Zuhörer lachten. Und dann meinte er, Om sei der einzige wahre Gott, und daraufhin wurde es still. Und dann stieß er eine Statue des Weingottes Tuvelpit um. Woraufhin die Schwierigkeiten begannen.«
»Willst du etwa behaupten, der Priester sei von einem Blitz getroffen worden?« fragte Vorbis.
Er schrie jetzt nicht mehr, sondern sprach ganz ruhig, fast monoton. Dies ist die Stimme des Exquisitors, dachte Brutha. So spricht
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