Einfach göttlich
Simony.
»Ja«, bestätigte Brutha ernst. »Die Entfernung ist fünfmal so groß wie die Distanz zwischen Ephebe und Omnien. Ich habe auch eine Schriftrolle mit Draufsichten gesehen«, fügte er hinzu.
Heißer Dampf stieg von der sich drehenden Kugel auf. Als Brutha näher kam, bemerkte er, daß hinter der Kupferkugel sechs kurze Ruder ein sternförmiges Muster bildeten. Hinzu kamen Zahnräder aus Holz und mehrere Riemen. Die Bewegungen der Kugel sorgten dafür, daß sich die Paddel-Vorrichtung drehte.
»Wie funktioniert es?« fragte der Novize.
»Es ist ganz einfach«, behauptete Urn. »Das Feuer…«
»Dafür haben wir keine Zeit«, sagte Simony.
»…läßt das Wasser heiß werden, und dadurch wird es wütend«, erläuterte der Philosophenlehrling. »Deshalb zischt es durch diese vier kleinen Düsen, um dem Feuer zu entkommen. Der Dampf stößt die Kugel hin und her. Zahnräder und Legibus’ Schraube übertragen die Bewegung zu den Rudern, die das Boot antreiben.«
»Sehr philosophisch ausgedrückt«, kommentierte Didaktylos.
Brutha fühlte sich verpflichtet, auf den omnianischen Fortschritt hinzuweisen.
»Das Portal der Zitadelle wiegt viele Tonnen, aber man kann es allein mit der Kraft des Glaubens öffnen«, sagte er. »Man braucht nur leichten Druck mit der Hand auszuüben, und schon schwingt es auf.«
»Das würde ich gern sehen«, erwiderte Urn.
Brutha spürte einen Anflug von sündigem Stolz darauf, daß es in Omnien doch etwas gab, auf das man stolz sein konnte.
»Vermutlich gut ausbalanciert. Und sicher sind auch einige spezielle hydraulische Systeme verwendet worden.«
»Oh.«
Simony stieß den Mechanismus nachdenklich mit dem Schwert an.
»Habt ihr an alle Verwendungsmöglichkeiten gedacht?« fragte er.
Urns Hand zeichnete komplexe Muster in der Luft. »Meinst du riesige Schiffe, die durchs dunkle Meer pflügen, ohne Segel zu benö…«
»Ich dachte ans Land«, unterbrach Simony den Neffen des Philosophen. »Vielleicht… eine Art Wagen…«
»Ach, es hat doch keinen Sinn, ein Boot auf einem Wagen unterzubringen.«
Simonys Augen glänzten, als er in eine Zukunft blickte, die ihm Stahlplatten für Panzerungen zeigte.
»Hmm«, sagte er.
»Das ist ja alles ganz schön und gut, aber mit Philosophie hat’s nichts zu tun«, meinte Didaktylos.
»Wo steckt der Priester?«
»Hier. Aber ich bin kein…«
»Wie fühlst du dich? Bist ganz plötzlich umgekippt, einfach so.«
»Jetzt geht es mir… besser.«
»Im einen Augenblick auf den Beinen, und im nächsten…«
»Es geht mir schon viel besser.«
»Passiert dir so etwas oft?«
»Manchmal.«
»Erinnerst du dich an die Schriftrollen?«
»Ich… glaube schon. Wer hat die Bibliothek in Brand gesteckt?«
Urn sah von dem Mechanismus auf.
»Er hat’s getan.«
Brutha starrte Didaktylos an.
» Du hast die Bibliothek in Flammen aufgehen lassen?«
»Niemand brachte bessere Qualifikationen dafür mit«, entgegnete der Philosoph. »Außerdem wollte ich vermeiden, daß sich Vorbis alles unter den Nagel reißt.«
»Wie bitte?«
»Angenommen, er hätte die Rollen gelesen? Er ist so schon schlimm genug. Mit dem ganzen Wissen intus wäre er noch viel schlimmer.«
»Er hätte die Rollen nicht gelesen«, sagte Brutha.
»Da irrst du dich bestimmt«, meinte Didaktylos. »Ich kenne diesen Typ. Pietät in der Öffentlichkeit, doch im Privaten geschälte Weintrauben und Ausschweifungen aller Art.«
»Nein.« Brutha schüttelte den Kopf. »Da irrst du dich bestimmt. Mit solchen Dingen verschwendet Vorbis keine Zeit.«
»Wie dem auch sei…« Didaktylos gestikulierte vage. »Ich habe nur dem Gebot der Notwendigkeit gehorcht, als ich das Feuer legte.«
Urn wandte sich vom Bug des Bootes ab, nachdem er noch mehr Holz in den eisernen Korb unter der Kupferkugel gelegt hatte.
»Können wir jetzt an Bord gehen?« fragte er.
Brutha nahm auf einer einfachen Sitzbank mittschiffs – oder wie man das nannte – Platz. Die Luft roch nach heißem Wasser.
»In Ordnung.« Urn betätigte einen Hebel, und daraufhin gruben sich die Paddel ins Wasser. Ein Ruck – und das Boot setzte sich in Bewegung und zog einen Dampfschweif hinter sich her.
»Wie heißt das Schiff?« fragte Didaktylos.
Urn hob überrascht den Kopf.
»Wie es heißt? Es ist doch nur ein Ding, gewissermaßen ein Etwas. Es braucht keinen Namen.«
»Namen sind philosophisch.« Ein Hauch von Verdrießlichkeit ließ sich in Didaktylos’ Stimme vernehmen. »Und du hättest eine Amphore mit
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