Einfach göttlich
Bitte dann an Urn.
»Ich weiß nicht, was es mit diesem Soldaten auf sich hat«, sagte er. »Ich weiß nur eins: Vorbis will euren Tod, und außerdem hat er befohlen, die Bibliothek niederzubrennen. Aber ich kann euch helfen. Auf dem Weg hierher habe ich mir alles überlegt.«
»Hört nicht auf ihn.« Simony ließ sich vor Didaktylos auf ein Knie sinken, wirkte wie ein Bittsteller. »Herr, es gibt Leute, die… die wissen, was dein Buch bedeutet. Sieh nur, ich habe eine Abschrift…«
Er tastete unter seinen Brustharnisch.
»Wir haben dein Werk kopiert«, fuhr er fort. »Uns stand nur eine einzige Ausgabe zur Verfügung, mehr nicht! Diejenigen von uns, die schreiben und lesen können… Sie stellten Abschriften her oder lasen anderen vor! Es ergibt alles so viel Sinn!«
»Äh…« Didaktylos zögerte. »Was?«
Simony gestikulierte aufgeregt. »Wir wissen, daß es wahr ist. Ich bin weit herumgekommen, und daher besteht für mich gar kein Zweifel: Die Große Schildkröte existiert! Sie bewegt sich tatsächlich ! Wir brauchen keine Götter!«
»Urn?« fragte Didaktylos. »Es hat doch niemand das Kupfer vom Dach genommen, oder?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Erinnere mich daran, daß ich mit diesem Burschen nur hier drin rede.«
»Du verstehst nicht!« platzte es aus Simony heraus. »Ich kann dich retten. Du hast Freunde, von denen du bisher überhaupt nichts wußtest. Komm. Ich bringe nur schnell diesen Priester um…«
Er hob das Schwert. Brutha wich noch etwas weiter zurück.
»Nein! Ich kann ebenfalls helfen! Als du vor dem Exquisitor gestanden hast… Da wußte ich plötzlich, wozu ich imstande bin.«
»Wozu willst du schon imstande sein?« fragte Urn spöttisch.
»Ich bin in der Lage, die Bibliothek zu retten.«
»Wie denn?« höhnte Urn. »Willst du sie auf dem Rücken wegtragen?«
»Nein, so meine ich das nicht. Wie viele Schriftrollen gibt es hier drin?«
»Etwa siebenhundert«, antwortete Didaktylos.
»Und wie viele davon sind wichtig?«
»Alle!« rief Urn.
»Vielleicht zweihundert«, erwiderte Didaktylos sanft.
»Onkel!«
»Der Rest ist nur das Produkt von Autoreneitelkeit«, stellte Didaktylos fest.
»Aber es sind Bücher !«
»Vielleicht kann ich mehr als zweihundert in Sicherheit bringen«, sagte Brutha langsam. »Gibt es hier einen zweiten Ausgang?«
»Äh… vielleicht«, entgegnete Didaktylos.
»Verratet ihm nichts!« ereiferte sich Simony.
»In dem Fall verbrennen alle Bücher.« Brutha deutete auf den Feldwebel. »Er meinte eben, euch bliebe gar nichts anderes übrig. Das bedeutet, ihr habt nichts zu verlieren, oder?«
»Er ist ein…«, begann Simony.
»Klappe halten, und zwar alle«, sagte Didaktylos. Er starrte an Bruthas Ohr vorbei.
»Vielleicht gibt es eine Art zweiten Ausgang«, räumte er ein. »Was hast du vor?«
»Ich fasse es nicht!« ächzte Urn. »Es sind Omnianer zugegen, und du sprichst von einem zweiten Ausgang!«
»Es gibt überall Tunnel im Berg«, meinte Didaktylos.
»Ja, aber wir sollten sie nicht auch noch darauf hinweisen!«
»Ich bin geneigt, dieser Person zu vertrauen«, brummte Didaktylos. »Er hat ein ehrliches Gesicht. Philosophisch gesprochen.«
» Warum sollten wir ihm vertrauen?«
»Wer dumm genug ist, unter den gegebenen Umständen Vertrauen von uns zu erwarten, muß vertrauenswürdig sein«, erläuterte Didaktylos. »Der Betreffende wäre zu dämlich für Hinterlist und Heimtücke.«
»Ich kann einfach gehen«, sagte Brutha. »Was wird dann aus der Bibliothek?«
»Na bitte!« warf Simony ein.
»Wenn alles finster aussieht, erscheinen plötzlich überall unerwartete Freunde«, sagte Didaktylos. »Erklär uns deinen Plan, junger Mann.«
»Ich habe gar keinen«, erwiderte Brutha. »Ich erledige nur Dinge, eins nach dem anderen.«
»Und wieviel Zeit brauchst du, um alle Dinge zu erledigen?«
»Etwa zehn Minuten.«
Simony richtete einen zornigen Blick auf Brutha.
»Holt jetzt die Bücher«, sagte der Novize. »Und ich benötige Licht.«
»Du kannst doch nicht einmal lesen!« wandte Urn ein.
»Ich habe auch gar nicht vor, irgend etwas zu lesen.« Brutha starrte auf die erste Schriftrolle. Der Zufall wollte es, daß es sich um De Chelonian Mobile handelte.
»Oh«, sagte er. »Mein Gott.«
»Stimmt was nicht?« fragte Didaktylos.
»Wäre jemand so freundlich, meine Schildkröte zu holen?«
S imony eilte durch den Palast, und niemand beachtete ihn. Die meisten ephebianischen Soldaten befanden sich jenseits des Labyrinths.
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