Einfach göttlich
mit dem Zeh an.
»Wir sind dem Verlauf des Tunnels gefolgt«, berichtete der Feldwebel mit der Stimme eines Mannes, der trotz gegensätzlicher Erfahrungen hofft, daß sich das Unheil mit einem zuversichtlichem Tonfall abwenden läßt. »Er endet bei den Kaianlagen.«
»Aber wenn man ihn von dort aus durchschreitet, gelangt man nicht hierher«, murmelte Vorbis. Er schien die rauchende Asche sehr faszinierend zu finden.
Der Feldwebel runzelte die Stirn.
»Verstehst du?« fragte Vorbis. »Die Ephebianer haben bestimmt keinen Weg hierher konstruiert. Wer ein Labyrinth mit vielen Fallen anlegt, denkt auf eine andere Weise. Vermutlich enthält der Tunnel… Klappen. Und Steine, die verborgene Mechanismen auslösen, wenn man sie berührt. Sackgassen, die in Speergruben enden. Scharfe Klingen, die plötzlich aus der Wand hervorschwingen.«
»Oh.«
»Ebenso komplexe wie teuflische Vorrichtungen.«
Der Feldwebel versuchte, sich die trockenen Lippen mit einer trockenen Zunge zu befeuchten. Er konnte in Vorbis’ Gesicht nicht lesen wie in einem Buch, denn es hatte nie ein Buch wie Vorbis’ Gesicht gegeben. Aber der Exquisitor neigte zu einer ganz bestimmten Denkweise…
»Du möchtest, daß ich mit einer Gruppe aufbreche und von den Kaianlagen aus durch den Tunnel gehe«, sagte er. Jetzt klang seine Stimme nicht mehr optimistisch, sondern hohl.
»Das wollte ich gerade vorschlagen, ja«, bestätigte Vorbis.
»Wie du wünschst, Herr.«
Der Diakon klopfte dem Soldaten auf die Schulter.
»Sei unbesorgt«, sagte er munter. »Om schützt jene, die stark im Glauben sind.«
»Ja, Herr.«
»Und wer von euch überlebt, erstattet mir ausführlich Bericht. Doch zuerst… Sie sind nicht in der Stadt, oder?«
»Wir haben alles gründlich durchsucht, Herr.«
»Und sie haben auch nicht das Tor passiert? Dann bleibt nur der Ozean.«
»Es fehlen keine ephebianischen Schiffe, Herr.«
»Vielleicht sind sie mit einem kleinen Boot geflohen.«
Vorbis blickte über das Runde Meer. Es füllte die Welt von Horizont zu Horizont. Jenseits davon erstreckten sich die Ebenen von Sto, und daran schlossen sich die gewaltigen Massive der Spitzhornberge an. Sie reichten bis hin zu einem Ort, den die Ketzer »Mitte« nannten, obwohl es sich um den »Pol« handelte. Die Welt war natürlich eine Kugel und wies daher eine gekrümmte Oberfläche auf, was bedeutete: Man konnte den Pol nur deshalb sehen, weil sich auch das Licht krümmte, in der Luft, auf die gleiche Weise wie im Wasser… Der Exquisitor hielt aufmerksam Ausschau und bemerkte einen weißen Fleck in der Ferne.
Vorbis konnte sehr weit sehen, wenn er am Hang eines Berges stand.
Er nahm eine Handvoll Asche – die Reste von Dykeris Prinzipien der Navigation – und ließ sie durch die Finger rieseln.
»Om hat uns einen guten Wind geschickt«, sagte er. »Gehen wir zum Kai.«
Der Feldwebel entdeckte einen vagen Hoffnungsschimmer, und der befand sich tatsächlich am Horizont.
»Du möchtest nicht, daß wir den Tunnel untersuchen, Herr?« fragte er.
»Ich verstehe deine Enttäuschung. Den Tunnel könnt ihr euch vornehmen, wenn wir wieder zurück sind.«
U rn stocherte mit einem Draht in den kleinen Öffnungen der Kupferkugel, während das Namenlose Boot zwischen den Wellen hin und her schaukelte.
»Vielleicht solltest du einige Male auf das Ding einschlagen«, meinte Simony, der nicht versuchte, Unterschiede zwischen Maschinen und Menschen zu machen.
»Es handelt sich um einen philosophischen Motor«, erwiderte Urn. »Schläge nützen da kaum etwas.«
»Du hast gesagt, Maschinen könnten unsere Sklaven sein«, erinnerte Simony den Neffen.
»Aber das bedeutet nicht, daß man sie unbedingt schlagen muß«, entgegnete Urn. »Salz bildet Krusten in den Düsen. Wenn das heiße Wasser aus der Kugel strömt, läßt es Salz zurück.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Vielleicht möchte es sich nicht mit Gepäck belasten.«
»Wir kommen nicht mehr voran! Kannst du etwas dagegen unternehmen?«
»Ja. Wir warten, bis sich die Kupferkugel abgekühlt hat. Dann reinigen wir sie und füllen Wasser nach.«
Simony sah sich geistesabwesend um.
»Wir sind noch immer in Sichtweite der Küste!«
»Bei dir mag das der Fall sein«, sagte Didaktylos. Er saß in der Mitte des Bootes, hatte die Hände auf dem Gehstock gefaltet und wirkte wie ein Alter, der nur selten aus dem Haus kam und sich sehr über die Abwechslung freute.
»Hier draußen sieht uns bestimmt niemand.« Urn stocherte erneut mit
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