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Einfach. Liebe.

Einfach. Liebe.

Titel: Einfach. Liebe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tammara Webber
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Während sie mit einem Auge in den Spiegel blinzelte und auf das andere geübt Mascara auftrug, hatte sie mich aufgezogen: »Ich will die edlen Teile deines Toyboys nicht ruinieren, bevor du mit ihm zu Ende gespielt hast!«
    Ich hatte den ganzen Tag nichts von Lucas gehört, aber andererseits hatten wir beide so viel um die Ohren, dass ich fast keine Zeit hatte, um über die ausbleibende Kommunikation – und was sie zu bedeuten hatte – nachzugrübeln. Fast keine.
    Noch vor einem Jahr hätte ich nie gedacht, dass ich je mit irgendjemandem außer Kennedy schlafen würde. Er war vor mir mit anderen Mädchen zusammen gewesen – spätestens seine Erfahrung bei meinem ersten Mal hatte mir das gezeigt. Aber es hatte mir eigentlich nicht viel ausgemacht, auch wenn wir nie wirklich darüber gesprochen hatten. Auch Lucas war ganz offensichtlich erfahren, obwohl er gesagt hatte, keines der Mädchen hätte ihm etwas bedeutet. Wenn Kennedy mir so etwas je gebeichtet hätte, wäre ich erleichtert, wenn nicht sogar überglücklich gewesen. Bei Lucas’ vorbelasteter Vergangenheit hingegen brach mir sein Geständnis fast das Herz, und ich war mir nicht sicher, was es für ihn, für mich und für uns bedeutete.
    Zu Beginn des Kurses wiederholten wir jede Bewegung, die wir gelernt hatten, während Ralph mit Tipps und aufmunternden Worten durch den Raum ging. Don und Lucas waren bei diesem ersten Teil noch nicht anwesend. Ralph wollte, dass wir emotional Abstand zu ihnen hielten, damit es uns nicht unangenehm sein würde, ihnen in der letzten Stunde Gewalt anzutun. Ich fragte mich, wie viele von uns kostbare Sekunden mit der Sorge vergeudeten, wir könnten überreagieren – winzige, wertvolle Momente, die wir nicht dafür nutzten, uns zur Wehr zu setzen, sondern damit zu denken: Aber ich kenne diesen Typen doch .
    Mit einem Kloß im Hals sah ich zu, wie jede meiner Kurskameradinnen ihre neu erworbenen Verteidigungstechniken an einem vollständig gepolsterten Lucas oder Don anwandte. Eine nach der anderen betrat die Matten – und jede profitierte von einem aufgestachelten, elfköpfigen Jubelteam am Rand, während die Männer sich abwechselten, um sich zwischendurch von den Schlä gen, Tritten und Beschimpfungen zu erholen. Da die Polsterungen unsere Angriffe abfederten, mussten sie sich ein bisschen verstellen – ihre Reaktionen so anpassen, als hätte jeder Faustschlag und Tritt seinen Zweck erfüllt. Und als Erin eine Gelegenheit ergriff und Don einen perfekten beherzten Tritt in die Weichteile ver passte, ging er zu Boden, als hätte sie ihn tatsächlich außer Gefecht gesetzt.
    Elf Stimmen schrien: » Lauf weg! Lauf weg! « Aber Dons großer, gepolsterter Körper versperrte ihr den unmittelbaren Fluchtweg zu der vorgesehenen »Sicherheitszone« neben der Tür – und Erin zögerte einen Sekundenbruchteil. Er rollte zu ihr herum, und wir schrien noch lauter. Voll in Fahrt, sprang sie auf seine Brust, als wäre sie ein Trampolin, und wieder herunter, wandte sich um, nachdem sie gelandet war, und verpasste ihm noch zwei Fußtritte, bevor sie wegrannte.
    Als sie die hintere Tür erreichte, reckte sie beide Fäuste in die Luft und hüpfte auf und ab, während wir alle Beifall jubelten. Ralph klopfte ihr auf die Schulter, als sie zu uns zurückkam, und ich warf einen Blick auf Lucas. Er beobachtete sie schmunzelnd. Noch eine Frau, die Stärke gewonnen hatte. Noch eine, die die Fähigkeit erworben hatte, sich gegen einen Angriff zur Wehr zu setzen. Noch eine, die vielleicht nicht das Schicksal seiner Mutter erleiden würde. Er fing meinen Blick auf, und ich fragte mich, ob diese vereinzelten, hoffnungsvollen Momente je ausreichen würden, um den Schmerz, der ihn quälte, zu lindern. Der Schmerz, von dem ich gar nichts wissen sollte.
    Er riss den Blick von mir los und stellte sich auf der Matte auf, um auf das nächste potenzielle Opfer zu warten. Es waren nur noch zwei von uns übrig – eine sehr stille Sekretärin namens Gail vom studentischen Gesundheitszentrum und ich.
    Ralph nickte uns aufmunternd zu. »Wer ist als Nächste dran?«
    Gail trat sichtlich zitternd vor. Während Ralph ihr ein paar kleine Tipps zumurmelte – etwas, was er bei niemandem sonst getan hatte –, ging Lucas sie nicht ganz so hart an. In unserer Broschüre stand, wesentlicher Bestandteil des Selbstverteidigungstrainings sei, das Selbstvertrauen zu entwickeln, dass man sich zur Wehr setzen konnte, und ich erkannte, dass sie ihr genau das vermitteln

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