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Einfach. Liebe.

Einfach. Liebe.

Titel: Einfach. Liebe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tammara Webber
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was ich ihm gegenüber je zur Sprache bringen konnte – oder ob es etwas war, was er mir je freiwillig erzählen würde. Obwohl ich selbst mehr als genug unter der Trennung von Kennedy gelitten hatte, war ich doch nie so verzweifelt gewesen, um an Selbstmord zu denken. Ich hatte keine Ahnung, was passieren musste, um an einen solch hoffnungslosen Punkt zu gelangen. Nicht wirklich.
    Es war spät, und ich musste zurück ins Wohnheim. Unser Kurs – mein Kurs – begann in nur acht Stunden. Auf dem Küchentresen fand ich einen leeren Umschlag und kritzelte eine Notiz darauf, um ihn wissen zu lassen, dass ich nach Hause gefahren war und ihn morgen sehen würde.
    »Warte.« Lucas’ Stimme hielt mich auf, als ich schon eine Hand auf dem Türgriff hatte. Er setzte sich auf, noch leicht benommen vom Schlaf.
    »Ich wollte dich nicht wecken, ich habe dir eine Nachricht hinterlassen.« Ich nahm sie vom Couchtisch, faltete sie zusammen und steckte sie ein. Ich hatte so viele Worte in mir, die ich sagen wollte, so viele Fragen, die ich stellen wollte, dass ich keinen Ton hervorbrachte.
    Er rieb sich die Augen und stand auf, dehnte den Nacken, streckte die Arme nach hinten aus, mit geschlossenen Augen. Sein Bizeps und seine Brustmuskeln spannten sich bei der Bewegung an. Ich wollte aufhören, ihn anzustarren, aber ich schaffte es nicht, bis er die Augen aufschlug. »Ich bringe dich noch zu deinem Wagen.«
    Er wandte sich um, um sich sein T-Shirt zu schnappen, sodass ich ihn wieder in Ruhe betrachten konnte. Über seinen muskulösen Schultern und seinem Rücken prangten noch mehr Tattoos, Muster und geschriebene Worte, aber das T-Shirt bedeckte sie viel zu schnell. Er verschwand in sein Schlafzimmer und kam in seinem Kapuzenpulli und einem Paar sehr abgelaufener Sperrys wieder, in denen ich ihn noch nie gesehen hatte. Stiefel waren seine Standardfußbekleidung.
    »Francis liegt ja auf dem Bett? Wenn ihm nicht an beiden Vorderpfoten Daumen gewachsen sind, gehe ich davon aus, dass du ihn reingelassen hast.«
    Ich nickte, während er auf mich zukam, und sein Lächeln schwand. Ich wusste, dass er an das dachte, was vor dem Einschlafen passiert war, und sich fragte, was ich davon hielt, dass er mich angefleht hatte, Hör auf zu sagen, obwohl ich klargestellt hatte, dass ich nicht aufhören wollte. Wenn er nur wüsste – meine Verwirrung über seine seltsame Zurückweisung war nichts verglichen mit der Sorge, was diese Narben an seinen Handgelenken verursacht hatte.

19
    Nachdem Lucas meine Existenz eine Woche lang ignoriert hatte, wenn wir in der Vorlesung waren, war ich mir nicht sicher, was ich am Montagmorgen erwarten sollte. Die Veränderung war geringfügig, aber nicht zu leugnen. Als ich den Hörsaal betrat, fing er meinen Blick auf, und der Hauch eines Lächelns umspielte seinen Mund. Alles an ihm war mir inzwischen vertraut. An dem Abend, an dem ich mit ihm getanzt hatte, waren seine Züge weich zu denen eines absolut umwerfenden Typen verschmolzen. Jetzt schien er ganz scharf umrissen, mit seiner markanten Kinnpartie und der Nase, die erst bei genauerem Hinsehen verriet, dass sie schon einmal gebrochen war. Eine halbmondförmige, kaum sichtbare Narbe zog sich über einen Wangenknochen, seine fast farblosen Augen wirkten manchmal ein bisschen unheimlich. Die Strähnen seiner strubbeligen Haare waren gerade lang genug, um ihn etwas weicher aussehen zu lassen – wenn er sie je kurz schneiden sollte, wäre er ein völlig anderer Typ.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem allgegenwärtigen Skizzenblock zu, und ich richtete den Blick nach vorn, um nicht die Stufen hinunterzupurzeln. Erst vor wenigen Stunden hatte er mein Gesicht in seinen Händen gehalten, hatte mich an die Tür meines Wagens gedrückt und mich geküsst, als hätten wir getan, was ich hatte tun wollte. Benommen vor Erregung war ich zurück zu meinem Wohnheim gefahren.
    Während ich auf meinen Platz neben Benji rutschte, widerstand ich der Versuchung, einen Blick über die Schulter zu werfen. Wenn er mich nicht ansah, würde ich enttäuscht sein. Wenn er es tat, würde ich ertappt sein.
    Das Mädchen rechts von mir erstattete ihrer Nachbarin ihren üblichen Montagmorgen-Wochenendbericht … und den zwei oder drei Dutzend anderen Leuten, die sie hören konnten. Benji ahmte sie perfekt, wenn auch ein bisschen überzogen, nach, und ich täuschte einen Hustenanfall vor, um mein Lachen zu überspielen. Dummerweise lenkte ich mit dem Husten ihre Aufmerksamkeit auf

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