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Einfach. Liebe.

Einfach. Liebe.

Titel: Einfach. Liebe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tammara Webber
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Blick, der über mein Gesicht strich wie eine sanfte Brise, oder wie eine ganz zarte Berührung. Er verharrte auf meinem Mund.
    Ich hatte die Lippen leicht geöffnet, mein Atem ging schwerer, während mein Herzschlag sich beschleunigte. »Du hast mich nie wieder gezeichnet.«
    Seine Lider hoben sich, aber er gab keine Antwort, vielleicht erinnerte er sich an seine SMS mit dieser Bitte gar nicht mehr.
    »Du hast gesagt, du hättest Schwierigkeiten damit, mich aus dem Gedächtnis zu zeichnen. Mein Kinn. Meinen Nacken …«
    Er nickte. »Und deine Lippen. Ich habe gesagt, ich müsste mehr Zeit damit verbringen, sie anzuschauen, und weniger damit, sie zu schmecken.«
    Ich nickte. Großer Gott, an was erinnerte er sich eigentlich nicht ?
    »Ziemlich albern von mir, so etwas zu sagen, schätze ich.« Er sah wieder zu meinem Mund.
    Meine Lippen kribbelten unter seinem eindringlichen Blick. Ich wollte mit den Fingern drüberreiben, die Zähne in sie verbeißen, damit es aufhörte. Als ich sie mit der Zunge befeuchtete, holte er tief Luft. »Kaffee. Lass uns einen Kaffee trinken.«
    Ich nickte, und ohne ein weiteres Wort gingen wir zum Studentenzentrum, wo um diese Tageszeit Hochbetrieb herrschte.
    »Du trägst also eine Brille?« Wir saßen an einem winzigen Tisch, schlürften unseren Kaffee und verharrten in einem mehr als unbehaglichen Schweigen, also platzte ich mit dem erstbesten Satz heraus, der mir einfiel.
    »Äh. Ja.«
    Na toll. Ich hatte eben jenen Abend zur Sprache gebracht. Aber sollte ich jenen Abend nicht sowieso zur Sprache bringen? Sollten wir nicht darüber reden? Sollte ich ihn nicht fragen, ob er mir gegenüber so abweisend war, weil er der Kurstutor war oder weil er diese Narben an den Handgelenken hatte?
    »Ich trage Kontaktlinsen. Aber am Ende eines Tages vertragen meine Augen sie nicht mehr so gut.«
    Vor meinem geistigen Auge sah ich Lucas, wie er mit überraschter Miene seine Tür öffnete, mit der Brille, die ihm ein offizielles Aussehen verlieh, während der Pyjama genau den gegenteiligen Effekt erzeugte. Ich räusperte mich. »Sie steht dir wirklich gut. Die Brille. Ich meine, du könntest sie ständig tragen, wenn du wolltest.«
    »Sie nervt mit dem Motorradhelm. Und beim Taekwondo.«
    »Oh. Ja, das kann ich mir vorstellen.«
    Wir schwiegen wieder, es waren noch vierzig Minuten bis zu seinem Seminar und meiner nachträglichen Bass-Übungsstunde. »Ich könnte dich jetzt zeichnen«, schlug er vor.
    Ohne zu wissen, warum, lief ich rot an.
    Zum Glück griff er in seinen Rucksack, kramte seinen Skizzenblock hervor und schlug eine leere Seite auf. Er nahm den Bleistift von seinem Ohr, bevor er mich über den Tisch hinweg ansah. Falls ihm mein geröteter Teint auffiel, erwähnte er es jedenfalls nicht. Wortlos lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück, den Block auf den Knien, und begann zu zeichnen. Sein Bleistift vollzog die mühelosen, schwungvollen Bewegungen von jemandem, der weiß, was er tut, während ich schweigend dasaß, an meinem Kaffee nippte und seine Mimik beobachtete. Seine Hände beobachtete.
    Es hatte etwas Intimes, für jemanden Modell zu sitzen. In meinem vorletzten Schuljahr hatte ich mich im Kunstunterricht einmal als Modell gemeldet, um meine Note aufzubessern. Da es mir an künstlerischem Talent eindeutig mangelte, hatte ich die Gelegenheit zu diesen zwei Zusatzpunkten beim Schopf gepackt, ohne zu bedenken, dass ich den gesamten Unterricht vor der Klasse auf einem Tisch verbringen würde. Einem Klassenzimmer voller Teenagerjungs den Freischein zu erteilen, mich eine geschlagene Stunde lang anzuglotzen, war auf eine ganz neue Weise unangenehm. Vor allem, als Jillians Freund Zeke sein Porträt mit meinen Brüsten begann. Er taxierte mich hemmungslos und prahlte mit seinen künstlerischen Versuchen vor seinen Nebensitzern, während ich rot anlief und versuchte, seine Witzeleien über Nippel und Dekolletés, und seinen Wunsch, ich möge mein Hemd einfach ganz ausziehen – oder wenigstens aufknöpfen –, zu ignorieren.
    »Die meisten Künstler beginnen mit dem Kopf«, bemerkte Miss Wachowski, als sie ihm über die Schulter sah. Zeke und die anderen Jungen am Tisch prusteten los, während ich vor Scham glühte und die ganze Klasse Zeuge wurde.
    »Woran denkst du?«
    Diese Geschichte würde ich ihm mit Sicherheit nicht erzählen. »Highschool.«
    Die Haare, die ihm in die Stirn fielen, verdeckten sein Stirnrunzeln, aber er presste die Lippen fest zusammen.
    »Was denn?«, fragte ich,

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