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Einfach losfahren

Einfach losfahren

Titel: Einfach losfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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diesem Titel geschrieben hat, oder waren es wirklich seine, also hat er welche besessen?«
    »Nein, das ist ein Gleichnis von ihm. An einem kalten Tag rotten sich die Stachelschweine zusammen, um einander zu wärmen. Anfangs fühlen sie sich wohl, aber nach einer Weile spüren sie die Stacheln der anderen, deshalb rücken sie ein wenig voneinander ab. Das Bedürfnis nach Wärme lässt sie wieder zusammenrücken, der Schmerz treibt sie wieder auseinander, und weil sie mal das eine, mal das andere Übel stärker empfinden, gibt es ein ständiges Hin und Her. Die Fehler, die Gewohnheiten, die Verhaltensweisen oder die Bedürfnisse der anderen sind die Stacheln, jeder hat seine eigenen. Nur einige wenige Tiere sind in der Lage, genügend innere Wärme zu erzeugen. Diese verstehen es, die richtige Distanz zu den anderen zu finden, oder verzichten gar ganz darauf, ihnen nahe zu sein.«
    Am nächsten Morgen rief Fede den Typen vom Hafen an. »Guten Tag, ich bin’s, Federico, wir kommen jetzt, wo genau müssen wir hin, welche Einfahrt? Entschuldigung, ich kann Sie kaum verstehen, ich rufe noch mal an, es scheppert so in der Leitung, das muss das Telefon sein…«
    Der Herr am anderen Ende antwortete: »Nein. Das ist nicht das Telefon, das bin ich, das ist meine Stimme. Ich hatte einen Luftröhrenschnitt. Ich warte an Tor elf auf Sie, damit Sie es nicht verfehlen. Haben Sie verstanden? TOR ELF .«
    »Alles klar, bis gleich.«
    Im Hafen trafen wir auf Herrn Tommaso. Abgesehen vom Luftröhrenschnitt fiel sofort ins Auge, dass wir dem vielleicht hässlichsten Menschen der Welt gegenüberstanden. So hässlich, dass man nicht mal einschätzen konnte, wie alt er war.
    Trotzdem war er sympathisch, außer wenn er Scherze über seine Krankheit machte.
    »Ich bin Krebs, Aszendent Krebs. Und hab Krebs gekriegt.«
    Gequältes Lächeln unsererseits.
    Am frühen Nachmittag hatten wir alles erledigt. Der Container war bereit zum Transport.
    Auf der Rückfahrt versuchte ich, das Gespräch vom Vorabend wiederaufzunehmen. Ich wollte von Federico wissen, was ich tun sollte, was seiner Ansicht nach der erste Schritt wäre. Schon während ich fragte, fand ich mich selbst langweilig. Federico ging auch nicht darauf ein. Er sagte nur, dass es seiner Meinung nach nicht nötig sei, um die ganze Welt zu reisen. Ich könne durchaus so weitermachen, ich müsse nur eben den Autopilot abstellen.
    Abends ging ich zu Francesca, und wir sprachen über unsere Situation. Uns war beiden bewusst, dass da etwas erlosch. Wir waren sehr aufrichtig und gestanden uns ein, dass all die Liebe und Leidenschaft, die wir empfunden hatten, dabei war, sich in nichts aufzulösen. Im Grunde waren wir in unseren Beziehungen gleich. Ich sagte ihr das, was ich schon Federico gesagt hatte. Und so beschlossen wir schließlich, es sein zu lassen und die Sache nicht so sehr in die Länge zu ziehen, dass wir uns am Ende noch hassten.
    Francesca und ich hatten immer »Ich liebe dich« und all so was zueinander gesagt, und das Verrückte daran war, dass wir so sehr daran glauben wollten, dass wir am Ende tatsächlich daran glaubten. Unsere Liebesschwüre entsprachen vielleicht nicht der Wahrheit, aber sie waren trotzdem aufrichtig. Wir fragten uns, weshalb es bei uns beiden immer so endete.
    Zwei Menschen, die zusammen sind, sollten sich zuallererst das Gefühl geben, dass sie sich selbst lieben. Wenn du dich selbst nicht liebst, weshalb sollte ich dich dann lieben? Wer sich selbst liebt, dem ist es sehr wichtig, mit wem er eine intime Beziehung hat. Es bedeutet, den anderen achten zu können. Nur wer sich nicht selbst liebt, der kann sich jedem hingeben. Selbstliebe ist die Brücke, über die man zum anderen gelangt. Aber dazu waren wir nicht fähig.
    So oft hatte ich mich an eine Frau gebunden und sie wieder verlassen. Von vielen Frauen hatte ich verlangt, sie sollten mir ihre Liebe durch ständige, törichte Prüfungen beweisen. Ich wollte Gesten und Garantien. Da ich ohne Mutter aufgewachsen war, verlangte ich nach reiner, bedingungsloser Hingabe. Hatten sie bewiesen, dass sie erobert waren und mich abgöttisch liebten, obwohl ich mich wie ein Arschloch benahm, schwand mein Interesse an ihnen, und ich ließ sie fallen. Doch nicht genug damit, selbst danach wollte ich noch immer ihr Favorit sein, der, dem sie sich anvertrauten, ihr Komplize. Wenn ich nicht recht wusste, ob ich eine Frau verlassen sollte oder nicht, dann hörte ich bei einer Diskussion oder einem Streit zwei Stimmen

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